11.12.2024
Bei einem Festakt in Stuttgart hat die Roman, Marga und Mareille Sobek Stiftung Prof. Dr. Dr. Jens Kuhle, Universitätsklinikum Basel, mit dem Sobek-Preis 2024 ausgezeichnet. Der Nachwuchspreis ging an Dr. med. Ali Maisam Afzali, TU München. Die Stiftung beging gleichzeitig ihr 30-jähriges Jubiläum.
Der mit 100.000 Euro dotierte Sobek-Preis ist in Europa die höchstdotierte Auszeichnung in der Multiple-Sklerose-Forschung. Der ebenfalls jährlich verliehene Nachwuchspreis ist mit 15.000 Euro dotiert. Die ausgezeichneten Wissenschaftler eröffnen mit ihren Forschungsergebnissen neue Perspektiven für die Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose (MS).
Prof. Dr. med. Dr. phil. Jens Kuhle erhielt den Sobek Forschungspreis 2024 für seine Pionierleistungen auf dem Gebiet der Erforschung und Entwicklung laborgestützter Biomarker bei MS. Diese markieren die bei MS typischen Krankheitsprozesse der Neurodegeneration und Astrogliose. Kuhle erforscht seit 2014 in Zusammenarbeit mit zahlreichen nationalen und internationalen MS-Zentren die Bedeutung von Biomarkern für die Krankheitsaktivität und die Progression der MS und ihre Aussagekraft über pathologische Krankheitsmechanismen der Neurodegeneration. Mittels Laboruntersuchung von Blut- und Liquorproben wurden neue quantifizierbare Biomarker ermittelt, die Aussagen über den individuellen Krankheitsverlauf von MS-Patienten erlauben. Laborgestützte Biomarker können damit neue Hinweise für die individuelle Therapieentscheidung geben.
Die Messung von Neurofilament Leichtkette (NfL) im Blut gibt als Biomarker Hinweise auf eine Schädigung von Nervenzellen. Ein weiterer Marker ist das saure Gliafaserprotein (GFAP), dessen Anstieg bei MS die Vernarbungsaktivität anzeigt. Ein hoher NfL-Wert spreche für eine hohe Krankheitsaktivität, mit der Konsequenz, dass eine Intensivierung der Therapie zu bedenken ist. Ein dauerhaft niedriger NfL-Wert könne als Hinweis auf einen Rückgang der Krankheitsaktivität gewertet werden, so der Preisträger. Da eine neuronale Schädigung auch bei anderen neurologischen Erkrankungen vorkommt, sei damit zu rechnen, dass die NfL- und GFAP-Diagnostik künftig auch bei Erkrankungen wie Schädel-Hirn-Trauma, Morbus Alzheimer und anderen degenerativen Erkrankungen nutzbar gemacht werden kann.
Ministerialdirektor Dr. Hans J. Reiter, Amtschef des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, bezeichnete bei der Veranstaltung in Stuttgart Kuhles Forschungsleistung in seiner Laudatio als zukunftsweisend: "Prof. Jens Kuhle hat Pionierarbeit bei der Erforschung und Behandlung von Multipler Sklerose geleistet. Besonders hervorzuheben sind seine bahnbrechenden wissenschaftlichen Leistungen in der Entwicklung laborgestützter Biomarker, die international höchste Anerkennung finden. Dank dieser Biomarker kann die Schädigung von Nervenzellen frühzeitig erkannt und auch der Krankheitsverlauf besser prognostiziert werden. Darüber hinaus schaffen sie die Grundlage für die Entwicklung individuell angepasster und damit auch effektiverer Therapieansätze."
Dr. med. Ali Maisam Afzali wurde für seine umfangreichen und grundlegenden experimentellen Untersuchungen zur Immunologie der MS mit dem Sobek Nachwuchspreis ausgezeichnet. Die intensive wissenschaftliche Arbeit Afalis mündete in mehrere hervorragende Publikationen. Seine jüngste Arbeit beschreibt in einer umfangreichen experimentellen Studie die Entdeckung lange vermuteter, aber bisher nicht vollständig geklärter Mechanismen bei der MS-ähnlichen Erkrankung Neuromyelitis optica (NMO). Sie sind als hoch bedeutsam einzuschätzen und auch für andere Autoimmunerkrankungen bedeutsam. Sein innovativer Forschungsansatz lieferte wichtige Hinweise auf die Steuerung der Antikörperproduktion in Plasmazellen durch B-Lymphozyten im Thymus. Mit neuesten Techniken wie genetischen Manipulationen an diesen steuernden Thymus-B-Zellen und mit anderen Strategien ist es dem Preisträger gelungen, die weitreichende immunologische Kontrollfunktion der Thymus-B-Lymphozyten bei der NMO zu entschlüsseln. Seine Forschungsergebnisse vertiefen insgesamt das Verständnis von Autoantikörper-vermittelten Autoimmunerkrankungen des Nervensystems.
Laudator Prof. Dr. med. Klaus V. Toyka, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Sobek Stiftung, lobte Afzalis Leistungen: "Ihre Erkenntnisse können die Basis für innovative Therapiestrategien für Autoimmunkrankheiten wie der MS liefern."
Die Roman, Marga und Mareille Sobek Stiftung wurde vor 30 Jahren, am 2. November 1994, als rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts testamentarisch gegründet und geht auf den Textilunternehmer Roman Sobek in Darmstadt, seine Ehefrau Marga und Tochter Mareille zurück. Runde Jubiläen, betonte Andrea Schildhorn, Vorstandsvorsitzende der Sobek Stiftung unter dem Dach des Deutschen Stiftungszentrums, abschließend, eignen sich besonders dafür, Vergangenes und Kommendes miteinander zu verbinden. Mareille Sobek starb 1960 mit 21 Jahren.
Seit Gründung der Sobek Stiftung 1994 habe sich die Lebenssituation der MS-Betroffenen durch die Vielfalt der zugelassenen Wirkstoffe signifikant verbessert. Die heutigen Vernetzungsmöglichkeiten und die Einbeziehung künstlicher Intelligenz bieten ermutigende Perspektiven für künftige individualisierte Therapieoptionen der MS. Die Auslobung der Sobek Forschungspreise werde diese positive Entwicklung auch künftig unterstützen.
Die jährliche Preisverleihung findet in Zusammenarbeit mit der AMSEL, Aktion Multiple Sklerose Erkrankter, Landesverband der DMSG in Baden-Württemberg e.V., und dem DMSG-Bundesverband statt. Sie steht unter der Schirmherrschaft des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg. Der Festakt findet traditionell in der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart statt.