
Matthias Schmolz: Lieber Herr Häßler, nach der langen Niedrigzinsphase bleibt jetzt die Erzielung von Renditen oberhalb der Inflationsrate für Stiftungen die zentrale Herausforderung. Sie setzen sich mit Ihrem Institut ausschließlich für nachhaltige Kapitalanlagen ein. Wir wissen inzwischen: Resilienz und Nachhaltigkeit sind kein Widerspruch. Können Sie uns das mit ein paar aktuellen Zahlen untermauern?
Rolf D. Häßler: Sie sprechen gleich die Gretchenfrage der nachhaltigen Kapitalanlage an – die nach dem Einfluss der Nutzung von Nachhaltigkeitskriterien auf Rendite und Risiko der Kapitalanlagen. Hier hat sich auf Basis buchstäblich hunderter Analysen und Studien die Erkenntnis durchgesetzt, dass Anleger nicht systematisch auf Rendite verzichten oder ein höheres Risiko in Kauf nehmen müssen, wenn sie nachhaltig investieren. Ein bedeutender Anteil der Studien sieht entsprechende Anlagen hier sogar im Vorteil. Insofern war das Jahr 2022 ein Stück weit eine Ausnahme, weil es nachhaltige Anlagen in diesem Jahr schwer hatten, mit konventionellen Anlagen mitzuhalten. Dies lag unter anderem daran, dass sich vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Rüstungs- und Energieunternehmen gut entwickelt haben, die aus vielen nachhaltigen Portfolios ausgeschlossen sind. Zudem hat der rasante Zinsanstieg insbesondere wachstumsorientierte Unternehmen betroffen, die im Verhältnis zu Value-Titeln in nachhaltigen Portfolios häufig stärker gewichtet sind. Für mittel- bis langfristig orientierte Anleger sind solche temporären Sonderentwicklungen aber von untergeordneter Bedeutung, solange die skizzierte Grundaussage zur Wirkung nachhaltiger Kriterien stabil bleibt.
Matthias Schmolz: Der Stiftungssektor ist wegen seiner langfristigen Ausrichtung für nachhaltiges Investieren geradezu prädestiniert. Begegnen Ihnen trotzdem auch in unserem Bereich noch die klassischen Vorbehalte? Etwa, dass Nachhaltigkeit Verzicht auf Rendite bedeutet oder dass eine zweckgeleitete Anlagestrategie bei Stiftungen eventuell gar nicht zulässig ist?
Rolf D. Häßler: Das Thema eines möglichen Renditeverzichts ist nach wie vor regelmäßig Gegenstand der Gespräche, die wir mit Stiftungen führen. Allerdings weisen wir auch darauf hin, dass es davon abhängt, wie restriktiv die aktivierten Nachhaltigkeitsfilter, zum Beispiel Anzahl und Operationalisierung von Ausschlusskriterien, definiert werden. Wenn das Anlageuniversum dadurch massiv eingeschränkt wird, können negative Auswirkungen auf Rendite und Risiko nicht ausgeschlossen werden. Insofern kommt es darauf an, die richtige Balance zwischen der Berücksichtigung des Stiftungszwecks und der Größe des Anlageuniversums zu finden. Absolutes Minimum sollte dabei unseres Erachtens der Ausschluss von Emittenten sein, die nachvollziehbar dem Stiftungszweck widersprechen. Wir beobachten gleichzeitig noch eine weitere wirkungsbezogene Diskussion – über die wir uns zugegebenermaßen sehr freuen! Immer mehr Stiftungen interessieren sich nämlich für die Frage, ob denn eine nachhaltige Kapitalanlage auch einen positiven Einfluss auf eine nachhaltige Entwicklung, beispielsweise den Klima- und Artenschutz, hat. Das stand lange im Schatten der Diskussionen um Rendite und Risiko, gewinnt aber deutlich an Bedeutung.