S&S: Um unser Bildungssystem nachhaltig zu stärken, hat der Stifterverband die Zukunftsmission Bildung (ZMB) auf den Weg gebracht. Keine Mission ohne Vision: Was ist das Ziel der ZMB? Und inwiefern unterscheidet sich die ZMB von anderen, bereits bestehenden Initiativen?
Andrea Frank: Mit der Zukunftsmission Bildung wollen wir das Bildungssystem wieder in die Lage versetzen, ausreichend Menschen schneller und gezielter mit den notwendigen Kompetenzen auszustatten. Die ZMB ist bewusst als systemische Initiative angelegt, die nicht nur Symptome adressiert, sondern versucht, strukturelle Lösungen zu entwickeln.
Bis 2030 verfolgen wir vier zentrale Ziele: Erstens die Halbierung der Lehrkräftelücke von 68.000 auf 34.000 durch eine Öffnung und Flexibilisierung der Lehramtsausbildung an den Hochschulen. Zweitens die systematische Ausweitung von Kooperationen zwischen Schulen und außerschulischen Partnern. Der Ganztag wird so zu qualitativ wertvoller Bildungszeit, in der mehr Schülerinnen und Schüler Zugang zu den vielen guten privaten Initiativen haben. Drittens die Steigerung des Anteils an MINT-Absolventinnen und Absolventen von derzeit 35 auf mindestens 40 Prozent, in dem weitere interdisziplinäre Studienfächer entwickelt und mehr internationale Studierende am Arbeitsmarkt in Deutschland gehalten werden. Und viertens die Erhöhung des Anteils von Hochschulen, die digitale Zukunftskompetenzen vermitteln, von 10 auf 30 Prozent.
Der Unterschied zu anderen Initiativen ist, dass die ZMB neben klaren Wirkungszielen die Umsetzung in den Mittelpunkt stellt. Es gibt zu den oben genannten Themen ausreichende Erkenntnisse. Mit der ZMB versuchen wir, Rahmenbedingungen so zu verändern, dass die Erkenntnisse schneller umgesetzt werden. Das gelingt nur gemeinsam mit Akteuren aus Wirtschaft, Politik, Bildung und Zivilgesellschaft.
S&S: Die Gemeinschaftsinitiative von Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft fällt in eine Zeit, die geprägt ist von Polarisierungen, Umbrüchen und Instabilitäten. Was ist nötig, damit Kooperation funktioniert – auch über Sektorengrenzen hinweg?
Andrea Frank: Kooperation erfordert zunächst ein gemeinsames Verständnis der Herausforderungen. Viele Themen wie die Digitalisierung der schulischen Bildung sind so komplex, dass sie nur durch systemische Ansätze lösbar sind. Der Digitalpakt hat gezeigt, dass Geld allein nicht reicht – es braucht qualifizierte Lehrkräfte, engagierte Schulleitungen, kompetente Schulträger und innovative Partner aus dem außerschulischen Bereich.
Damit Zusammenarbeit über Sektorengrenzen funktioniert, müssen wir an mehreren Stellschrauben gleichzeitig drehen: von der Lehrkräftebildung über die Weiterbildung in den Schulen bis hin zur Förderung eines gemeinsamen Gestaltungswillens. Ziel ist es, dass junge Menschen die Schule oder Hochschule mit den Kompetenzen verlassen, die sie brauchen, um heutige und zukünftige Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Dieses Arbeiten an unterschiedlichen Stellschrauben erfordert dann auch eine Offenheit gegenüber den Ideen und Vorgehensweisen anderer Partner.
S&S: Mehr als 500 Partner, darunter 40 Stiftungen, sind bei der Zukunftsmission Bildung schon dabei. Inwiefern profitieren Stiftungen von der ZMB? Und welche Möglichkeiten der Partizipation und gegebenenfalls Unterstützung haben sie?
Andrea Frank: Die deutsche Stiftungslandschaft mit ihren fast 26.000 Stiftungen bietet enormes Potenzial für die Lösung der Herausforderungen, die wir uns in der Zukunftsmission Bildung vornehmen. Allein 5.700 dieser Stiftungen sind im Bildungsbereich aktiv und investieren jährlich mindestens 2,5 Milliarden Euro. Doch bislang entfaltet sich dieses Engagement oft nur fragmentiert. Die ZMB bietet die Chance, in den Themenfeldern, die wir im Blick haben, diese Kräfte zu bündeln und in eine gemeinsame nationale Bildungsroadmap einzubringen, die von staatlichen und privaten Akteuren gleichermaßen getragen wird.
Für Stiftungen bedeutet das nicht nur eine finanzielle Beteiligung, sondern vor allem die Möglichkeit, Teil eines starken Netzwerks zu werden, das die Wirkung ihrer Projekte vervielfachen kann. Sie können beispielsweise in der Allianz für Lehrkräfte gezielte Stipendienprogramme für Mangelfächer entwickeln, Modellprojekte initiieren oder Studienergebnisse beisteuern. Entscheidend ist, dass sich die Wirkung dieser Maßnahmen verstetigt – etwa durch die Integration von Modellprojekten in staatliche Strukturen.