Matthias Schmolz: Stiftungen sind per definitionem eher risikoaverse Anleger. Welchen Anlagemix empfehlen Sie derzeit für das Stiftungsvermögen? Ein langfristig ausgerichtetes Aktienportfolio, festverzinsliche Rentenpapiere, Immobilien oder gar Private Debt?
Eberhard Glöckner: Stiftungen sind zwar eher risikoavers, aber gleichzeitig auch sehr langfristig ausgerichtete Anleger. Daher können sie Schwankungen an den Kapitalmärkten, Zinsveränderungen oder die in den letzten Jahren häufigeren Krisen grundsätzlich besser aushalten. Somit empfehlen wir aktuell in Abhängigkeit von der individuellen Anlagerichtlinie der jeweiligen Stiftung eine breite Streuung über die von Ihnen genannten Anlageklassen hinweg. Dies ist im Rahmen einer Ein-Produkt-Lösung oder als Aufteilung in unterschiedliche Töpfe je Assetklasse möglich.
Matthias Schmolz: Das Deutsche Stiftungszentrum hat seine speziell auf die Bedürfnisse von Stiftungen ausgerichteten Spezialfonds, die in drei Risikoklassen eingeteilt sind, seit 2019 alle auf Nachhaltigkeit umgestellt. Wird das im institutionellen Investment weiterhin ein bestimmendes Thema bleiben, oder droht Nachhaltigkeit in Rezession und Dauerkrise zum Trade-off zu werden?
Eberhard Glöckner: Die nachhaltige Transformation der Wirtschaft ist und bleibt eine Generationenaufgabe. Hieraus resultieren auch vielfältige Anlagechancen für Investoren. Gleichzeitig ist die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien eine wichtige Ergänzung im Risikomanagement. Eine aktuelle Befragung unseres Hauses zeigt, dass institutionelle Investoren in Deutschland trotz geopolitischer Krisen und vielfältiger Kapitalmarkt-Herausforderungen nachhaltige Investments ausbauen wollen.
Matthias Schmolz: Zum Thema Vermögensanlage gehört auch der Blick auf die großen geopolitischen Trends. Alle Blicke richten sich auf China und Russland. Aber auch die USA lassen die Märkte wegen des wiederholten Haushaltsstreits, der America first-Politik, dem Inflation Reduction Act und den kommenden Präsidentschaftswahlen immer wieder aufhorchen. Auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos wurde 2023 gar schon das Ende der Globalisierung ausgerufen. Auf welche Weltordnung stellt sich Ihr Institut ein?
Eberhard Glöckner: Wir erwarten eine Neuordnung der globalen Wirtschaftsbeziehungen. Der Krieg in der Ukraine hat diese Entwicklung dramatisch beschleunigt. Die zunehmende Blockbildung zwischen dem Westen und China dürfte die Globalisierung bremsen. Denn beide Blöcke streben eine Entkoppelung an. Das betrifft strategisch wichtige Lieferketten, den Datenverkehr und vermutlich auch das Finanzsystem.
Matthias Schmolz: Friend-Shoring, das heißt die Konzentration internationaler Wirtschaftsbeziehungen auf befreundete Nationen und Regionen, gilt in einem neuen Zeitalter ökonomischer Blockbildung als ein Lösungsweg. Ist das nicht auch ein sehr kostspieliger Ansatz? Werden wir also weiter mit steigenden Preisen rechnen müssen?
Eberhard Glöckner: Der sich verschärfende Großmachtwettbewerb zwischen den USA und China führt dazu, dass Lieferketten umgebaut werden, um Abhängigkeiten zu reduzieren. Somit steht Resilienz vor Effizienz – ein Faktor, der für eine längerfristig erhöhte Inflation spricht. Wahrscheinlich ist, dass es in dieser Übergangsphase immer wieder zu Angebotsschocks kommt.