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"Wir wollen immer auch Vorbild sein"

Seit dem 1. März 2023 ist Stephanie Berger Mitglied der Geschäftsführung des Deutschen Stiftungszentrums. Im Interview spricht sie über die aktuellen Herausforderungen für den Stiftungssektor, skizziert, was sich vor allem bei den rechtlichen Rahmenbedingungen ändern muss, und formuliert den Anspruch, den sie an die Arbeit des DSZ stellt.

DSZ: Liebe Frau Berger, Sie waren bereits in der Geschäftsleitung und sind nun in die Geschäftsführung des Deutschen Stiftungszentrums aufgestiegen. Worin sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen für den Stiftungssektor?

Stephanie Berger: Der Stiftungssektor wurde durch Pandemie und die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine genauso schwer getroffen wie die gesamte Gesellschaft. Gleichzeitig waren und sind viele Stiftungen ganz aktiv an der Bewältigung der Krisen beteiligt, das hat viel Energie gekostet. Zudem steht die Zivilgesellschaft, wie alle anderen Sektoren, mitten im Transformationsprozess. Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind Themen, denen sich auch Stiftungen stellen müssen. Dabei müssen wir noch mehr Tempo machen, Visionen entwickeln und unsere Zukunft mitgestalten. Die Innovationsfähigkeit des Sektors ist sicherlich verbesserungsfähig.

DSZ: Stimmen dafür die Rahmenbedingungen?

Stephanie Berger: Nicht wirklich. Die Stiftungsrechtsreform, die im Sommer in Kraft tritt, hat ein paar Verbesserungen gebracht, bleibt aber in wichtigen Bereichen hinter dem zurück, was dringend notwendig ist. Dabei geht es vor allem um Erleichterungen bei Kooperationen und Zusammenlegungen von Stiftungen. Stiftungen müssen sich veränderten Umwelten auch anpassen können, damit sie ihre volle Wirkungskraft entfalten können. Nehmen wir etwa das Thema Vermögensanlage: In der Niedrigzinsphase konnten viele Stiftungen nur schwer ihre Programme oder Förderungen realisieren und arbeiten damit auf einem geschwächten Fundament. Auch die angestrebte Harmonisierung der Länderstiftungsgesetze fällt nicht so aus, wie wir uns das gewünscht hätten. Ein weiteres, ganz wichtiges Thema ist die Entbürokratisierung. Da muss noch eine ganze Menge geschehen, und das DSZ wird sich als Sprachrohr von fast 700 Stiftungen entschlossen in die Diskussion einbringen.

Stephanie Berger (Foto: Sven Lorenz)
Foto: Sven Lorenz

 
DSZ:
Sie sind Volljuristin, eine ausgewiesene Steuerexpertin und haben vor dem DSZ für die renommierte Wirtschaftsberatungsgesellschaft Ernst & Young gearbeitet. Wie sind Sie mit dem Stiftungssektor in Berührung gekommen?

Stephanie Berger: Mein erster Kontakt mit Stiftungen war tatsächlich während des Studiums an der Universität Osnabrück, als ich selbst akademische Förderpreise von Stiftungen erhalten habe, was mich sehr motiviert hat. Nach dem Examen war ich bei der IHK Essen, wo ich als Steuerreferentin die Geschäftsführung der Kulturstiftung Essen mit übernommen habe. Ich habe damals gesehen, wieviel Gutes man lokal und regional tun kann. Das hat mich fasziniert und auch nicht losgelassen.  Danach bin als Steuerexpertin zu Ernst & Young nach Hamburg gegangen. Die Zeit war intensiv, mit ganz wunderbaren Kollegen, von der Arbeit her allerdings sehr fokussiert. Ich hatte dort keinen Bezug mehr zum Stiftungssektor. Dann stand 2012 eine räumliche und familiäre Veränderung an. Ich war damals in Elternzeit und habe hinterfragt, wohin mein weiterer Berufsweg gehen soll. Da bin ich ganz zufällig auf die Stellenanzeige des Deutschen Stiftungszentrums gestoßen, und es hat alles sofort Sinn gemacht.

DSZ: Was macht den Reiz Ihrer Arbeit aus?

Stephanie Berger: Meine Arbeit ist ungemein abwechslungsreich, von der Beratung bis hin zur Umsetzung. Durch verschiedene Funktionen, als Unternehmensjuristin mit der Leitung des Bereichs "Finanzen, Controlling, Steuern und Recht" im Stifterverband und im DSZ, bin ich direkt für eine gemeinnützige Organisation tätig, die eine immens spannende Arbeit macht. Zudem ist die Beratung von Stiftungen und Stiftern eine Aufgabe, die ich ganz besonders liebe, weil es so viele unterschiedliche Stiftungen mit so vielen großartigen, engagierten Menschen gibt. Ideenpotenziale zu kanalisieren und zu unterstützen, ist eine äußerst sinnstiftende Beschäftigung. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, in Vorstandstätigkeiten in einigen Stiftungen das zivilgesellschaftliche Engagement selbst zu leben, zu erfahren und mitzugestalten. Dieses Know-how in der Netzwerkarbeit mit anderen Organisationen auch noch zur Verbesserung des Sektors einsetzen zu können, macht alles in allem eine sehr reizvolle Mischung!

Stephanie Berger (Foto: Sven Lorenz)
Foto: Sven Lorenz

 
DSZ:
Organisationen wie das DSZ sollten nicht nur beim Wandel helfen, sie müssen auch sich selbst wandeln. Was steht diesbezüglich auf der Agenda des DSZ?

Stephanie Berger: Natürlich müssen Stifterverband und Deutsches Stiftungszentrum sich dem gesellschaftlichen Veränderungsprozess auch selbst stellen. Gerade der Stifterverband ist hier ganz vorn mit dabei, den Transformationsprozess zu begleiten. Von den vielfältigen Projekten im Stifterverband sowie dem Netzwerk profitieren auch unsere Stiftungen. Umgekehrt zieht der Stifterverband einen Nutzen aus den Tätigkeiten der Stiftungen, denn viele von ihnen fördern ebenfalls Bildung und Wissenschaft, um die Innovationskraft der Gesellschaft zu stärken – gemeinsam können wir mehr erreichen. Der Stifterverband mit seinem DSZ setzt sich zudem generell für die Stärkung der Zivilgesellschaft ein. Stiftungen sind ein wichtiger Teil davon. Für das DSZ stehen Digitalisierung und Nachhaltigkeit vor allem in den Bereichen Immobilienmanagement und Vermögensanlage ganz oben auf der Agenda. Wir wollen in all diesen Bereichen immer auch Vorbild für den Sektor sein.

DSZ: Wo sehen Sie das DSZ in zehn Jahren?

Stephanie Berger: Wir haben den Anspruch, ein exzellenter Partner unserer Stiftungen zu sein. Dafür müssen wir weiterhin zeitnah auf die Wünsche und Bedürfnisse unserer Stiftungen reagieren. Wir setzen uns nach außen für Entbürokratisierung ein und wollen unseren Stiftungen auch im Innenverhältnis so viel Bürokratie wie möglich ersparen, damit sie sich auf ihr Engagement konzentrieren können. Wichtig ist uns Transparenz für unsere Kunden. Intern stehen die Umsetzung des New Work und der Ausbau der digitalen Infrastruktur an. Hier liegt unsere Zukunft. Natürlich haben wir auch nichts dagegen, die DSZ-Familie in den kommenden zehn Jahren mit weiteren Stiftungen wachsen zu lassen.

DSZ: Sie leben in Neuss, haben zwei Kinder, lieben Gartenarbeit, haben einen ganz besonderes Faible für Italien und gehen daher gerne mal mit der ganzen Familie zum Klettern in die Berge. Wie erklären Sie Ihren Kindern eigentlich, was Sie bei der Arbeit so machen?

Stephanie Berger: Das ist tatsächlich gar nicht so leicht. Beraten, helfen und unterstützen von Stiftungen für tolle Projekte ist doch eine abstrakte Aussage. Beide Kinder hatten schon Kontakte zu Projekten in der Schule wie zum Beispiel den Känguru-Wettbewerb, so bekommen zumindest schulische Projekte ein Gesicht. Dass solche Projekte von NPOs entwickelt werden, finden sie zumindest spannend. Weiterhin engagieren wir uns privat selbst in Neuss, so dass durch das gesellschaftliche Engagement für mich die Vorbildfunktion hier wieder eine große Rolle spielt.  

Stephanie Berger (Foto: Sven Lorenz)
Foto: Sven Lorenz