01.04.2016
Preisträgerin nimmt die Berufung der Freien Universität Berlin auf die Heiner-Müller-Gastprofessur für deutschsprachige Poetik an.
Die Stiftung Preußische Seehandlung hat auf Beschluss ihrer Preisjury die Schriftstellerin Olga Martynova mit dem Berliner Literaturpreis ausgezeichnet. Der Preis ist mit 30.000 Euro dotiert.
Die Autorin nimmt die mit dem Preis verbundene Berufung der Freien Universität Berlin auf die "Heiner-Müller-Gastprofessur für deutschsprachige Poetik" im Sommersemester 2015 an.
Seit 2005 bietet der Preis mit der "Heiner-Müller-Gastprofessur für deutschsprachige Poetik" am Peter-Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin den Preisträgern jeweils im Sommersemester ein Forum für Textarbeit mit Studierenden der Universitäten und Hochschulen in Berlin und Brandenburg.
Bisherige Preisträger und Dozenten waren Herta Müller, Durs Grünbein, Ilija Trojanow, Ulrich Peltzer, Dea Loher, Sibylle Lewitscharoff, Thomas Lehr, Rainald Goetz, Lukas Bärfuss und Hans Joachim Schädlich. Der Jury des Berliner Literaturpreises 2015 gehören Peter-André Alt, Sonja Anders, Jens Bisky, Kristin Schulz und Thomas Wohlfahrt an.
In der Begründung für die Preisvergabe heißt es: "Die Spirale der Geschichte ruiniert die Zentren, indem sie sich durch die Randzonen mahlt. (Heiner Müller) Olga Martynova (geboren 1962 bei Krasnojarsk, aufgewachsen in Leningrad, seit 1991 in Deutschland lebend) schreibt aus diesem Mahlstrom von Geschichte heraus, den die nach-sozialistische Ära ausmacht. Mit überbordender Phantasie und traumwandlerischer Leichtigkeit gelingt es ihr in ihren Romanen Sogar Papageien überleben uns (2010) und Mörikes Schlüsselbein (2013), gängige Themen wie Herkunft, Liebe oder Familie in ein trans-historisches Universum zwischen St. Petersburg, Berlin, Frankfurt, Chicago und Sibirien zu übersetzen, in das sich die Protagonisten fügen und finden und das dem Leser den eindimensionalen Plot verweigert. Wir begegnen Schneemenschen und Schamanen, Untergrunddichtern und Kagus, Philemon und Baucis. Sie alle erwehren sich poetisch der Funktionsschemata und Gegebenheiten des Kalten Kriegs, um wie nebenbei beispielsweise in einer Spionage-Science-Fiction zu landen. Besonders in ihrer Lyrik 'Brief an die Zypressen' (2001), 'In der Zugluft Europas' (2009) und 'Von Tschwirik bis Tschwirka' (2012) offenbart sich Martynovas verschroben anarchischer Witz und ihr erfrischend respektvoll-respektloser Umgang mit literarischen Traditionen, weil wendig mit Welt-Geschichte als wechselnder Gesellschafts- bzw. mythologischer Formiertheit hantiert und geschichtete Vermächtnisse anders begründet werden – u.a. um den unter Stalin umgekommenen Avantgardekünstlern Daniil Charms oder Alexander Wwedenski gerecht zu werden. Martynovas Handhabung von Sprache ist höchstsensibel und genau, gerade weil sie ihre Suchbewegungen in der Nicht-Muttersprache – deutsch – bekennt und Instrument von Spracherkundung werden lässt. Aus dieser poetischen Weltanschauung und -aneignung blitzt die vergangene als nicht vergehende Zeit auf, deren rätselhaft magische Vexierbilder den Leser dauerhaft in den Bann ziehen und bleiben, indem auch sie sich verändern."
Der Berliner Literaturpreis wird am 18. Februar 2015 in Berlin im Roten Rathaus verliehen. Der Präsident der Freien Universität wird die Berufung auf die Heiner-Müller-Gastprofessur vornehmen. Die Laudatio auf die Preisträgerin hält Elke Erb.