Professor Dr. med. Martin Dichgans, Direktor des Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung am Klinikum LMU, sieht in der Digitalisierung die große Chance, verschiedene Welten zusammenzubringen und plädiert dafür, Daten für sinnvolle Anwendungen zur Verfügung zu stellen, denn "Forschung ohne Big Data ist schlicht nicht mehr denkbar".
Als ehemaliger Gesundheitsminister und einer der Väter des E-Health sieht Daniel Bahr heute die Gesundheitskarte als veraltetes Konstrukt an und fordert die Informationsasymmetrie zwischen Arzt und Patienten abzubauen. Bahr sieht in der Nutzung der gesammelten Daten eine Riesenchance schneller geheilt zu werden und besser leben zu können. Seine Sorge gilt dem unbefugten Zugriff auf die Gesundheitsdaten und er plädiert auch auf das "Recht auf Nichtwissen", einzig der Patient entscheidet über die Verwendung seiner Daten.
"Wer sich heute gegen die Digitalisierung stellt, ist schuldig an unnötigem Leid und Todesfällen", stellt Dr. med. Markus Müschenich provokativ fest. Der Co-Founder & CEO von Flying Health ist Gründer mehrerer think tanks zum Thema und forscht nach seinen Worten mit "vielen jungen Wilden", die respektlos und ohne "Schranken im Kopf" an der Verbesserung des Nutzens der IT arbeiten und nur ein Ziel im Fokus haben, den Patienten.
Allgemeinmediziner mit einer Praxis in dritter Generation, Dr. med. Nikolaus Frühwein, steigt ebenfalls mit einer provokanten These in die Diskussion ein: "Digitalisierung hilft zwar, nützt aber nichts!" behauptet Frühwein und erläutert, dass Patienten "vorgegoogelt" in die Praxis kämen, aber die gefundenen Informationen nicht entsprechend einordnen könnten, was zu hoher Unsicherheit führe. Frühwein ergänzt, dass natürlich keine Praxis heutzutage mehr ohne Digitalisierung auskomme, aber derzeit die Technik manchmal mehr Arbeit als Hilfestellung für eine Allgemeinarztpraxis darstelle. Als Beispiel führt er an, dass Überweisungsscheine nach wie vor mit Durchschlagspapier versehen sind und deshalb mit einem "Nadeldrucker" ausgefüllt werden müssten. Für Frühwein stellt sich außerdem die Frage: Wie gehen wir sorgsam mit den gesammelten äußerst sensiblen Daten um?
Auch Professor Dr. rer. nat. Ulrich Mansmann, Direktor des Institut für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie, prangert an, dass zum Beispiel auch am Klinikum München die "Unsitte" herrsche, dass viele Daten als "pdfs" gespeichert werden, was diese für die Datennutzung völlig wertlos mache. Hier sei ein Riesenschritt notwendig, ein System zur Verfügung zu stellen, das es ermöglicht, qualitativ hochwertige Daten einfach zu erfassen, nach Vollständigkeit zu prüfen, um diese dann auch auswerten und Schlüsse daraus ziehen zu können. Mansmann fordert diesbezüglich eine fundierte Ausbildung für den wissenschaftlichen Nachwuchs, denn die junge Generation ist gefordert, Ideen zu entwickeln und Wege aufzuzeigen, um die Fülle von Daten sinnvoll zu managen. Mansmann erläutert, dass sich medizinische Daten alle 73 Tage verdoppeln würden.