12.02.2021
Die Fritz und Hildegard Berg-Stiftung fördert eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf (UKE). In der sogenannten COPSY-Studie (Corona und Psyche) untersuchen die Projektbeteiligten, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen auf die Psyche von Kindern und Jugendliche haben.
Ergebnis: Kinder und Jugendliche leiden psychisch weiterhin stark unter der Corona-Pandemie. Besonders gefährdet sind junge Menschen aus einkommensschwachen Familien oder Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund.
Die Lebensqualität und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat sich in Deutschland im Verlauf der Corona-Pandemie weiter verschlechtert. Fast jedes dritte Kind leidet ein knappes Jahr nach Beginn der Pandemie unter psychischen Auffälligkeiten. Sorgen und Ängste haben noch einmal zugenommen, auch depressive Symptome und psychosomatische Beschwerden sind verstärkt zu beobachten. Erneut sind vor allem Kinder und Jugendliche aus ökonomisch schwächeren Verhältnissen, Risikofamilien oder Familien mit Migrationshintergrund betroffen. Das sind die Ergebnisse der zweiten Befragung der COPSY-Studie die Forschende des UKE durchgeführt haben. Sie ist bundesweit die erste und international eine der wenigen Längsschnittstudien ihrer Art.
"Unsere Ergebnisse zeigen erneut: Wer vor der Pandemie gut dastand, Strukturen erlernt hat und sich in seiner Familie wohl und gut aufgehoben fühlt, wird auch gut durch die Pandemie kommen. Wir brauchen aber verlässlichere Konzepte, um insbesondere Kinder aus Risikofamilien zu unterstützen und ihre seelische Gesundheit zu stärken. Hier sind auch die Schulen gefragt, regelmäßig Kontakt zu ihren Schülerinnen und Schülern zu halten und ihnen dadurch Wertschätzung und Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Sonst besteht die Gefahr, dass vor allem Kinder aus Risikofamilien ihre Motivation und Lernfreude verlieren. Aber auch insgesamt müssen wir die seelischen Belastungen und Bedürfnisse von Familien und Kindern während der Pandemie und während eines Lockdowns stärker berücksichtigen", sagt Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, Leiterin der COPSY-Studie und Forschungsdirektorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE.
Lebensqualität, psychische und psychosomatische Auffälligkeiten
Vier von fünf der befragten Kinder und Jugendlichen fühlen sich durch die Corona-Pandemie belastet. Ihre Lebensqualität hat sich im Verlauf der Pandemie weiter verschlechtert. Sieben von zehn Kindern geben in der zweiten Befragung eine geminderte Lebensqualität an. Wie schon während der ersten Befragung leidet fast jedes dritte Kind auch zehn Monate nach Beginn der Pandemie noch unter psychischen Auffälligkeiten. Ängste und Sorgen haben bei den Kindern im Vergleich zur ersten Befragung noch einmal deutlich zugenommen. Sie zeigen zudem häufiger depressive Symptome sowie psychosomatische Beschwerden wie zum Beispiel Niedergeschlagenheit oder Kopf- und Bauchschmerzen.
Gesundheitsverhalten
Auch das Gesundheitsverhalten der Kinder und Jugendlichen hat sich noch weiter verschlechtert. Sie ernähren sich weiterhin ungesund mit vielen Süßigkeiten, und zehnmal mehr Kinder als vor der Pandemie und doppelt so viele wie bei der ersten Befragung machen überhaupt keinen Sport mehr. "Sport ist ganz wesentlich für das psychische und physische Wohlbefinden. Neben der für die gesunde Entwicklung so wichtigen Bewegung treffen Kinder und Jugendliche beim Sport auch ihre Freunde, lernen, sich in eine Mannschaft einzuordnen und mit Konflikten, Siegen und Niederlagen umzugehen", sagt Prof. Dr. Ravens-Sieberer. Parallel dazu verbringen die Kinder noch mehr Zeit als im Frühsommer 2020 an Handy, Tablet und Spielekonsole, wobei sie die digitalen Medien jetzt häufiger für die Schule nutzen.
Schule, Familie, Freunde
Auch in der zweiten Befragung berichten die Kinder und Jugendlichen über mehr Streit in den Familien, über vermehrte schulische Probleme und ein schlechteres Verhältnis zu ihren Freunden. Gleichzeitig zeigt sich, dass Familien, die über einen guten Zusammenhalt berichten und viel Zeit mit ihren Kindern verbringen, besser mit den Belastungen in der Pandemie umgehen können.
Doch auch viele Eltern fühlen sich mittlerweile durch die anhaltende Pandemie belastet und zeigen vermehrt depressive Symptome. "Die Eltern scheinen sich auf die Anforderungen durch das Homeschooling und die Doppelbelastung mit ihrer Arbeit eingestellt zu haben und versuchen, diese bestmöglich zu managen. Sie kommen dabei aber zunehmend an ihre Grenzen", erklärt Prof. Dr. Ravens-Sieberer.
In der COPSY-Studie untersuchen die UKE-Forschenden die Auswirkungen und Folgen der Corona-Pandemie auf die seelische Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Sie haben dafür von Mitte Dezember 2020 bis Mitte Januar 2021 mehr als 1.000 Kinder und Jugendliche und mehr als 1.600 Eltern mittels Online-Fragebogen befragt. Mehr als 80 Prozent der befragten Kinder und Eltern hatten bereits an der ersten Befragung im Juni 2020 teilgenommen. Die Elf- bis 17-Jährigen füllten ihre Fragebögen selbst aus. Für die Sieben- bis Zehnjährigen antworteten die Eltern. Auch dieses Mal bilden die Befragten die Bevölkerungsstruktur von Familien mit Kindern im Alter von sieben und 17 Jahren ab.
Zweck der Fritz und Hildegard Berg-Stiftung ist die Förderung medizinischer Wissenschaft und Forschung. Neben der Studie zur Corona-Pandemie liegt ein weiterer Schwerpunkt beispielsweise auf dem Programm "Stadt der Zukunft: gesunde, nachhaltige Metropolen" in dessen Rahmen die Stiftung seit 2020 ein neues medizinisches Forschungsinstitut unterstützt: Unter der Leitung von Professorin Susanne Moebus forscht das Institut für Urban Public Health (InUPH) an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen, welchen Einfluss das städtische Umfeld auf die Gesundheit der Menschen hat und wie es optimal gestaltet werden kann. Die Stiftung unterstützt die Forschung mit einem Fördervolumen von 750.000 Euro über fünf Jahre.