10.10.2022
Träumen lohnt sich, davon ist der Profifußballer und Stifter Robin Gosens überzeugt. Er selbst hat immer an seinen Träumen festgehalten – und hatte Erfolg: Obwohl er nie in einem Nachwuchsleistungszentrum aktiv war, schaffte er den Sprung in den Profifußball, der A-Nationalspieler spielt heute für den italienischen Traditionsverein Inter Mailand. Mit seiner Stiftung möchte er Kinder und Jugendliche stärken, ihnen Teilhabe und neue Perspektiven ermöglichen und Rahmenbedingungen schaffen, in denen sie ihre Träume verwirklichen können. Für die aktuelle Ausgabe des Fachmagazins Stiftung&Sponsoring traf DSZ-Geschäftsführer Erich Steinsdörfer Robin Gosens zum Interview.
Ist es für Sie selbstverständlich, sich als Profifußballer gesellschaftlich zu engagieren?
Für mich persönlich ist es selbstverständlich. Ich weiß einfach, dass ich mit dem, was ich mache und was ich verdiene – glücklicherweise – in der Lage bin zu helfen. Darüber hinaus verspüre ich eine gesellschaftliche Verantwortung, weil ich als Vorbild fungiere. Dieser Verantwortung will ich nachkommen. Deshalb ist das Engagement für mich wichtig.
Eine Stiftung zu gründen, gehört zu den großen Lebensentscheidungen. Was war Ihre Motivation, die träumenlohntsich-Stiftung zu errichten? Was ist das Ziel Ihrer Stiftung?
Ausschlaggebend dafür, eine Stiftung zu gründen, war, dass meine Frau und ich den unbedingten Willen verspürt haben, etwas zurückzugeben. Das Leben besteht nicht nur aus Nehmen. Wir wollen vor allem Kindern etwas geben – das ist der Zweck, auf den wir uns fokussieren. Unsere Kinder heute werden morgen unsere Welt gestalten. Deshalb ist es unserer Ansicht nach wichtig, dass wir sie so gut wie möglich unterstützen und ihnen so viel wie möglich mit auf den Weg geben, um unsere, insbesondere aber ihre Zukunft bestmöglich zu gestalten. Das konkrete Ziel unserer Stiftung lautet: In Kindern den Gedanken stärken, dass es sich lohnt zu träumen. Und dass es sich lohnt, an Träumen festzuhalten – dass nicht immer nur Plan A funktioniert, sondern dass man manchmal Umwege gehen muss und man dennoch ankommen, gestalten und erfolgreich sein kann.
Sie haben sich bei der träumenlohntsich-Stiftung für das Modell einer Treuhandstiftung unter dem Dach der DFB-Stiftung Egidius Braun entschieden. Warum haben Sie diese Form des Engagements gewählt?
Als die Stiftungsidee konkret wurde, wurde ich erstmals für die Nationalmannschaft nominiert. Es entstand ein Kontakt mit Tobias Wrzesinski (Geschäftsführer der DFB-Stiftungen Egidius Braun und Sepp Herberger, Anm. der Redaktion). Wir haben mit ihm viele Gespräche geführt und haben uns informiert. Dabei sind wir zu der Entscheidung gekommen, dass eine Treuhandstiftung im Moment für uns am meisten Sinn macht, weil wir nur wenig Erfahrung in der Stiftungsarbeit hatten und weil wir bewusst als kleine Stiftung beginnen wollten. Es war deshalb naheliegend, unsere Stiftung gemeinsam mit der DFB-Stiftung Egidius Braun zu realisieren. Das hat sich durch das Know-how der Menschen, die wir damit automatisch hinter uns haben, schon in vielen Projekten ausgezahlt.
Welche Bedeutung haben Ihre eigene Biografie und Ihre Heimat Emmerich für die Aktivitäten der Stiftung? Ist die Arbeit mit dem relativ jungen Team, mit dem Sie die Geschicke Ihrer Stiftung leiten, ein perfect match mit Blick auf die Lebenswelt Ihrer Zielgruppe?
Meine Biografie ist schon die Basis für die Stiftungsidee. Ich selbst bin doch ein gutes Beispiel dafür, dass es sich lohnt, an seinen Träumen festzuhalten und gegen Widerstände anzukämpfen, weil sich das im Leben immer auszahlt. Ich bin glücklicherweise in einem behüteten Umfeld aufgewachsen. Aber auch bei mir in der Heimat gibt es viel Leid – aktuell etwa bei den Flüchtlingen. Es gibt viele Familien, die aus dem Osten zu uns kommen und die als Leiharbeiter nach Holland weiterziehen, die Kinder bleiben dann oftmals auf der Strecke. Aber auch diese Kinder haben eine Zukunft. Das leitet über zum Stiftungsteam, denn auch dieses kommt aus meiner Heimat und kennt die Problematiken vor Ort. Für meine Frau und mich war klar, dass wir, wenn wir die Stiftung realisieren, ein Team brauchen, dem wir vertrauen. Aus diesem Grund haben wir uns bewusst dafür entschieden, die Stiftung nur mit der Familie und den besten Freunden zu machen. Die Stiftungsarbeit ist eine Herzensangelegenheit und die teilt man eben am besten mit Menschen, die man liebt. Man merkt bei unseren Teammitgliedern einfach, dass sie für die Stiftungsarbeit brennen und diese auch ihr Leben positiv verändert. Gutes zu tun ist doch das Schönste, was man im Leben machen kann.
Wir wollen vor allem Kindern etwas geben – das ist der Zweck, auf den wir uns fokussieren. Unsere Kinder heute werden morgen unsere Welt gestalten.
Wie entscheiden Sie mit Ihrem Team, welche Projekte umgesetzt werden? Und sind Sie vor allem fördernd oder operativ tätig?
Derzeit ist die Stiftung sowohl fördernd als auch operativ tätig, wobei wir in Zukunft vor allem operativ arbeiten und, noch mehr als ohnehin schon, selbst etwas auf die Beine stellen wollen. Wir haben uns erst mal auf die Fahne geschrieben, regional zu helfen. Natürlich gibt es in der Welt riesengroße Probleme, aber – wie schon gesagt – eben auch direkt vor unserer Haustür. Da kann man viel Gutes tun. Sollten alle Probleme vor Ort behoben sein – durch uns oder durch wen auch immer (lacht) –, dann gehen wir auch gerne in die große, weite Welt. In Einzelfällen, wenn es akut ist, machen wir das aber auch schon jetzt, so etwa angesichts des Ukraine-Kriegs. Hier haben wir im Team beschlossen, dass wir helfen müssen.
Ein Beispiel für die Tätigkeit Ihrer Stiftung ist die Zusammenarbeit mit der DFB-Stiftung Sepp Herberger. Sie veranstalten mehrtägige Camps für junge Fußballerinnen und Fußballer. Was passiert dort?
Das Träumen-lohnt-sich-Camp ist ein Projekt, das mir persönlich sehr am Herzen liegt. Das Camp bringt junge Fußballerinnen und Fußballer zusammen. Sie verbringen ein tolles Wochenende und lernen dabei vor allem, an sich selbst zu arbeiten. Sie lernen, dass Fußball – je höher man kommt – nicht nur Spaß und Freude ist, sondern auch eine große Herausforderung mit sich bringt – vor allem eine mentale. In diesem Camp lernen sich die Jungs und Mädels durch Mental Coachings und Gespräche mit Psychologen selbst besser kennen, sie lernen, was Resilienz ist und wie sie mit Schicksalsschlägen und Negativerfahrungen besser umgehen können. Gerade im Fußball ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Ein schlechtes Spiel kann ausreichen, um das Selbstbewusstsein negativ zu beeinflussen. Im Leistungssport kommt der mediale Druck hinzu. Wir wollen den Kindern vor Ort einen Guide an die Hand geben, wie man sich in bestimmten Situationen verhalten und schützen kann. Wie kann man einen Plan für sich aufstellen, falls mal etwas schiefläuft? Wie kann man auch präventiv aktiv werden? Wir haben das Camp im vergangenen Jahr erstmalig ausgerichtet, und die Resonanz war überwältigend! Deshalb war klar, dass wir weitermachen. Wir würden das Camp gerne öfter und in verschiedenen Städten anbieten – das ist eines der Zukunftsprojekte, an denen wir arbeiten.
Baut das Camp auf Ihren eigenen Erfahrungen auf und spiegelt somit auch wider, an welchen Stellen Sie etwas in Ihrer fußballerischen Karriere vermisst haben?
Ja, absolut. Und natürlich habe ich durch das Psychologiestudium, das ich parallel zu meiner Spielerkarriere absolviere, auch einiges über mich und die Psyche des Menschen gelernt – und, dass Fußball viel mehr Psychologie ist als man vielleicht wahrhaben möchte. Auch ich hatte mit vielen Widerständen zu kämpfen. Es sieht immer toll aus und viele denken: "Der hat immer nur Erfolg gehabt. Das ging jetzt von Null auf Hundert. Alles wurde ihm in die Wiege gelegt." Aber das ist natürlich absoluter Schwachsinn! Ich musste sehr hart arbeiten, musste einiges überbrücken und habe in diesem Prozess sehr viel über mich selbst gelernt. Mein Weg zeigt, dass nicht immer Plan A funktionieren muss, sondern dass auch Umwege zum Erfolg führen. Und Erfolg heißt nicht unbedingt in der Nationalmannschaft zu spielen, sondern dass man sich selbst und seine Träume realisiert – auf welchem Niveau auch immer. Das ist eine wichtige Message, die ich vorzuleben und zu vermitteln versuche.
Stiften liegt im Trend, auch im deutschen Fußball. Mittlerweile gibt es rund 40 Fußball-Stiftungen und stiftungsähnliche Organisationen, die Synergien und Kräfte in einem offenen Netzwerk bündeln. Neben Ihrer Stiftung gehört auch die Treuhandstiftung der Nationalmannschaft dem Netzwerk an. Was können Sie uns über diese Stiftung erzählen?
Die Stiftung ist eine Herzensangelegenheit – da kann ich für alle Jungs aus der Nationalmannschaft sprechen. Wir haben oft in Teamsitzungen darüber gesprochen, wie wir etwas zurückgeben und ein Zeichen setzen können. Auf Basis dessen ist der Gedanke der Mannschaftsstiftung entstanden. Auch vor dem Hintergrund, dass wir so eine enorme Reichweite haben und so viel Gutes bewirken können. Die Mannschaft trifft sich regelmäßig, spricht über neue Projekte und berät sich. Man merkt, dass der Gedanke zu helfen und Gutes zu tun, bei vielen verankert ist.
Die Nationalmannschaft hat sich zu Beginn der Pandemie mit einer Corona-Soforthilfe engagiert. Sie haben die Corona-Krise in Bergamo erlebt, die Stadt war sozusagen das Epizentrum der Corona-Pandemie in Italien. Wie erinnern Sie diese Zeit?
Das war sicherlich das prägendste Negativerlebnis meines bisherigen Lebens. Die Bilder gingen um die Welt – die vielen Menschen in Leichensäcken, die abtransportiert wurden. Und wir waren mittendrin. Das hat viel in mir ausgelöst, hat mich viel reflektieren lassen. Über die Soforthilfe der Nationalmannschaft habe ich mich gefreut, weil ich wusste, wie wichtig das war. In Bergamo hat es zu jener Zeit an allem gefehlt. Das prägt und wird immer Teil meines Lebens sein. Und ich glaube, dass das auch der Grund ist, warum ich mich zu Bergamo so hingezogen fühle. Ich spiele jetzt in Mailand und könnte in einer Weltstadt wohnen. Aber ich lebe weiterhin in Bergamo, weil wir uns dort so wohl und den Menschen zugehörig fühlen.
Wie hat Ihnen die "sinnvolle" Beschäftigung mit der träumenlohntsich-Stiftung während Ihrer langen Verletzungspause und Rehabilitationszeit geholfen?
Neben dem Studium und meiner Familie war die Stiftungsarbeit mein rettender Anker, weil man so abschalten konnte – gerade nach dem Rezidiv, also dem nochmaligen Auftreten der Verletzung. Ich bin da in ein kleines mentales Loch gefallen, und die Stiftung hat mir Halt gegeben. Die Resonanz der Kinder und die Menschen, die so positiv auf unsere Arbeit reagiert haben, bewirkten bei mir ein positives Mindset, um auch die Verletzung durchzustehen. Diese mental sehr schwierige Phase hat mir gezeigt, wie erfüllend die Stiftungsarbeit ist.
Der Breitensport Fußball bewegt viel: Er ist Integrationsmotor und fördert Gesundheit, Inklusion und Teamplay. Der Profifußball nimmt für sich in Anspruch, ebenfalls für diese gesellschaftlichen Werte zu stehen – aber unterm Strich geht es hier zunächst um sportliche Erfolge, und, verbunden damit, um viel Geld. Wie ist Ihre Wahrnehmung: Müsste der Profifußball, angesichts der hohen Mittel, nicht viel mehr für unsere Gesellschaft tun – vor allem wenn man bedenkt, was ehrenamtlich im Breitensport geleistet wird?
Es ist richtig, dass im Breitensport Unglaubliches für unsere Gesellschaft geleistet wird. Ich selbst habe bereits früh in meinem Heimatverein von ehrenamtlichem Engagement profitiert. Die Trainer in Elten und später in Bocholt haben mich am Anfang meiner Karriere engagiert unterstützt. Es ist bemerkenswert, was an der oft zitierten Basis, meist im Stillen und unbemerkt von einer großen Öffentlichkeit, für den Fußball und die Gesellschaft geleistet wird. Daneben kenne ich viele Engagements der Fußballorganisationen, auch aus dem Profifußball. Zahlreiche Spieler engagieren sich gesellschaftlich und hängen das oft nicht an die große Glocke. Mit der träumenlohntsich-Stiftung wollen meine Frau und ich mit all unseren Mitstreitern all das tun, was wir tun können, um im Rahmen unserer Möglichkeiten junge Menschen bei der Verwirklichung ihrer Träume zu unterstützen. Denn: Träumen lohnt sich.
Herzlichen Dank für das Gespräch und viel Glück und Erfolg für Sie persönlich, für Ihre Familie, für Sie als Fußballer und als Stifter!
Es ist bemerkenswert, was an der oft zitierten Basis, meist im Stillen und unbemerkt von einer großen Öffentlichkeit, für den Fußball und die Gesellschaft geleistet wird.
Robin Gosens (Jahrgang 1994) aus Emmerich am Rhein schaffte den Durchbruch als Fußballprofi beim italienischen Champions-League-Teilnehmer Atalanta Bergamo. Von den deutschen Fans wurde er zum Fußball-Botschafter 2020 gewählt, im gleichen Jahr debütierte er in der deutschen Nationalmannschaft. Aktuell ist Gosens beim italienischen Traditionsverein Inter Mailand unter Vertrag. Parallel zu seiner Profikarriere studiert er Psychologie. Gemeinsam mit seiner Frau Rabea gründete der Familienvater im Mai 2021 die träumenlohntsich-Stiftung und setzt sich auf diese Weise für Kinder und Jugendliche ein.
Als führende Grantmaking-Zeitschrift im deutschsprachigen Raum widmet sich Stiftung&Sponsoring dem gesellschaftlich wichtigen Feld gemeinnütziger Aktivitäten aus der Sicht der Stifter, Spender und Sponsoren, der Macher und Mitarbeiter: Mit viel Praxisorientierung und hoher fachlicher Kompetenz, national und international. Das Fachmagazin erscheint alle zwei Monate als Printversion und als eJournal. Herausgegeben wird es vom Deutschen Stiftungszentrum (DSZ) im Stifterverband und dem Institut für Stiftungsberatung Dr. Mecking & Weger GmbH.