Welche Rolle spielt für Sie die Unterstützung durch die Daimler und Benz Stiftung?
Begonnen haben wir mit Grundlagenforschung zur Entwicklung dieses spielerischen Diagnose-Tools. Die Daimler und Benz Stiftung hat genau das im Rahmen des Formats "Ladenburger Kolleg" gefördert und uns dabei völlig ergebnisoffen, kollegial und großzügig unterstützt. Wissenschaftlich hatten wir freie Hand und damit ideale Arbeitsbedingungen. Unser Ziel war es, auf Basis dieser Grundlagenforschung ein praktisches und einfach handhabbares Werkzeug für den Einsatz im Kita-Alltag zu entwickeln.
Welche grundlegenden Erkenntnisse konnten Sie im Sinne der Kinder gewinnen?
Wir gleichen die erhobenen Sprachdaten mit biografischen Daten der Kinder ab, etwa Alter, Geschlecht, Ausgangssprache und Zeitpunkt des Deutschlernens. Inzwischen wissen wir, dass die spezifische Ausgangssprache der Kinder auf den Spracherwerb im Deutschen keinen wirklich begrenzenden Einfluss hat. Auch Alter und Dauer spielen jeweils nur eine bedingte Rolle. Primär geht es bei Sprachenerwerb um die Qualität der Auseinandersetzung mit Sprache: Kinder können in kürzester Zeit auch zu einem späteren Zeitpunkt exzellent Deutsch lernen. Auch der gleichzeitige Erwerb von mehr als einer Sprache ist grundsätzlich kein Problem, sondern kann katalytische Wirkung haben. Denn Kinder sind wie Wissensschwämme, die alles aufsaugen, wenn sie die richtigen Impulse bekommen.
Was motiviert Sie persönlich zu dieser Forschung?
Wir sind ein ganzes Wissenschaftlerteam, das zum Fremdsprachenerwerb forscht. Neben linguistischen Interessen verfolgen wir vor allem gesellschaftliche. Sämtliche aktuellen Studien zeigen, wie wichtig Sprachkompetenzen für die schulischen und beruflichen Laufbahnen sind. Sie bilden die Grundlage für bessere Bildungschancen. Wir haben dank der Unterstützung durch Kindertagesstätten in ganz Deutschland den Nachweis erbracht, dass man die Sprachstandsdiagnose einfach und vernünftig gestalten und auf dieser Basis Kinder spezifisch und zielgenau fördern kann. Viele der heutigen Fördermaßnahmen sind ineffizient, erfolgen nach dem Gießkannenprinzip und werden den wirklichen Bedarfen der Kinder nicht gerecht. Elementare Chancen, die wir als Bildungsgesellschaft den Kindern schulden, werden durch eine mangelhafte Diagnose und unverständige Förderpraxis verbaut oder gar verhindert. Und der Gesellschaft entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden, den eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2008 einmal auf jährlich 13 Milliarden Euro beziffert hat. Die Verantwortlichen der Sozial- und Bildungspolitik sind schon lange gefragt, nicht nur zu reden und jedes Jahr neu zu lamentieren, sondern endlich zu handeln.
Was erwarten Sie vom Fachkolloquium am 19. und 20. Juni 2023 in München?
Es kommt eine hochkarätig besetzte, interdisziplinäre Fachcommunity zusammen. Unser erklärtes Ziel ist es, mit der App in den bundesweiten Regelbetrieb in Kitas zu kommen; bislang laufen nur im Saarland groß angelegte Pilotstudien. Wir erhoffen uns von der Tagung eine Multiplikatorenwirkung für die praktische Umsetzung.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich hoffe, dass unser Verfahren in allen deutschsprachigen Ländern schnellstmöglich Standard wird. Sogar auf internationaler Ebene kann es als Muster für eine effiziente und ökonomische Sprachstandsdiagnose bei Vorschulkindern dienen, denn unser Ansatz und unsere technologischen Methoden sind übertragbar. Außerdem wünsche ich mir, dass endlich effiziente Fördermaßnahmen auf den Weg gebracht werden. Sprache zählt zu den Grundfesten der Bildung und Spracherwerb ist eigentlich so einfach. Viele Probleme, die wir derzeit sehen, müssten einfach nicht sein – und alle könnten profitieren!