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Ein Tochterunternehmen des Stifterverbandes

Aktuelles aus den Stiftungen

"Ich bin davon überzeugt, dass wir auf der Welt sind, um auch Dinge zurückzugeben"

05.10.2023

2018 hat Janina Lin Otto gemeinsam mit ihrem Mann Benjamin Otto die Holistic Foundation in Hamburg gegründet. Im Gespräch mit DSZ-Geschäftsführer Matthias Schmolz erklärt sie, was sie unter der Vision ihrer Stiftung "Conscious people together for a happy planet" versteht, warum für sie als junge Stifterin das Alter keine relevante Dimension ist und wie wirkungsorientiert die Stiftung operiert.

2018 haben Sie gemeinsam mit Ihrem Mann Benjamin Otto die Holistic Foundation gegründet. Sie gehen davon aus, dass alles mit allem zusammenhängt und dass sich erst aus einer holistischen Perspektive neue Denkansätze zur Gestaltung der Zukunft ergeben. Wie setzen Sie diesen Ansatz in Ihrer konkreten Stiftungsarbeit um?

Wir stehen als Menschen vor vielen Herausforderungen, und vielen bereitet das Sorgen. Wir glauben, dass ein Schlüssel dafür darin liegt, wie wir mit Dingen umgehen und wie unsere Umgebung auf uns wirkt. Also unsere Wahrnehmung und unser Bewusstsein. Unsere Vision der Stiftung ist "Conscious people together for a happy planet". Konkret: In dem Moment, in dem wir Menschen uns bewusst damit auseinandersetzen, wie wir selbst in der Welt agieren, wie wir mit uns, mit anderen und mit der Umwelt umgehen, können wir die Maßnahmen einleiten, die es braucht, um gemeinsam in eine positive Zukunft zu gehen.

Natürlich können wir mit der Stiftung nicht alle Probleme der Welt lösen, aber wir wünschen uns einen Beitrag, unseren Beitrag, dazu leisten zu können. Aus unserer optimistischen Perspektive konzentrieren wir uns bei der Arbeit daher auf die Befähigung von Menschen als Individuen und vor allem in der Gemeinschaft und wollen sie motivieren, die Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam zu lösen. Dies spiegelt sich zum einen in unseren "Leuchttürmen" LIFE HAMBURG und holi und zum anderen in unseren partnerschaftlichen Förderprojekten wie Acker oder ReDi School wider. LIFE HAMBURG ist dabei ein Ort zum Entdecken unserer Möglichkeiten und holi ein digitaler Ort für engagierte Menschen und gemeinnützige Organisationen, um zusammen in Aktion zu treten.

Ihre Stiftung ist vor allem in den Bereichen Lebenslanges Lernen, Gesundheit, Beruf/Berufung und Umwelt aktiv. Was verbindet diese auf den ersten Blick doch recht unterschiedlichen Förderschwerpunkte?

Wir sind davon überzeugt, dass ganzheitliche Bewusstheit für diese Bereiche zentral ist für ein gelingendes Leben und einen gemeinsamen Lösungsbeitrag. Lebenslanges Lernen wird immer wichtiger, weil sich unsere Welt immer schneller verändert. Hier kommt sowohl dem Schulsystem als auch jedem Einzelnen sowie Politik, Wissenschaft und Unternehmertum eine Verantwortung zu. Nur wenn ich die Welt um mich herum verstehe, kann ich aktiv in ihr agieren. Beruf/Berufung ist zentral, weil die Menschen sich dann selbstwirksam fühlen und Lust haben, den Wandeln aktiv mitzugestalten. Umwelt verstehen wir angesichts der Klimakrise so, dass wir als Menschheit möglichst einen bewussten Umgang mit unseren Ressourcen pflegen und im Einklang mit der Natur leben. Es macht uns glücklich, wenn wir uns in einer gesunden Natur bewegen. Gesundheit/Wellbeing bildet die Grundlage des Lebens, denn in einem gesunden Körper wohnt ein Geist, der Glück und Zufriedenheit ermöglicht, das spürt jeder, der mal krank ist. Hier habe ich eine besondere Leidenschaft für das Thema Ernährung im Sinne von "Du bist, was du isst". Konkret: LIFE HAMBURG soll all diese Schwerpunkte mit unterschiedlichen Nutzungskonzepten (zum Beispiel Schule, Kita, Ernährungsbereich ...) vereinen und wird das ganzheitliche Zusammenspiel physisch erlebbar machen.

Benjamin Otto und Janina Lin Otto (Foto: Janis Zinke-Huege)
Foto: Janis Zinke-Huege
Benjamin Otto und Janina Lin Otto

 
Sie sind hauptsächlich in Hamburg aktiv und immer im Zusammenspiel mit Partnern. Warum ist Kollaboration für Sie so wichtig?

Durch konstruktives Miteinander verschiedener Sichtweisen ergeben sich unserer Ansicht nach die besten Lösungen. Deswegen setzen wir genau hier an und versuchen in bestehende Netzwerke unsere Stärken einzubringen, denn wir alle haben unterschiedliche Kompetenzen. Wir lernen hier viel im Austausch und von dem Erfahrungswissen anderer und müssen nicht jeden Fehler noch einmal selbst machen. Gleichzeitig sind unsere Projekte LIFE HAMBURG und holi eine Einladung zur Kollaboration auf regionaler und nationaler Ebene, Orte von Menschen für Menschen, physisch und digital.

"Gemeinsam sind wir stärker", heißt es. Aber auch allein kann man etwas bewegen. Selbstwirksamkeit ist für Sie ein zentrales Stichwort. Wie kann jede und jeder Einzelne zur Lösung der aktuellen Herausforderungen beitragen?

Es ist wichtig, dass jede/r Einzelne die Bewusstheit hat, dass Veränderung mit ihm/ihr beginnt. Diese Verantwortung für sich und seine Umwelt sollte man nicht abgeben, sondern man sollte früh lernen, dass Verantwortung etwas Schönes ist. Ich folge hier dem Bild, dass wir allein nur Tropfen sind, aber gemeinsam ein Ozean. Das wirkt vielleicht pathetisch, mir hilft es aber bei meinen Entscheidungen im Kleinen und Großen. Viele Menschen engagieren sich bereits, sind aber manchmal eher die stille Mehrheit. Gerade im alltäglichen Miteinander sind sozialer Zusammenhalt und die Gemeinschaft wichtig für uns als Gesellschaft, um den Fliehkräften entgegenzuwirken. Es gilt, die Superpower in unserer Vielfalt zu erkennen und zu leben. Gleiches gilt auch für den digitalen Raum. Mit LIFE HAMBURG und holi wollen wir Antworten in diesen Bereichen finden und inspirieren. Vieles wissen wir, es ist nur verloren gegangen. Wenn dann nicht nur jeder individuell, sondern alle Akteure gemäß ihrer Rollen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden, dann lösen wir die Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam.

Sie sind Unternehmerin, Ihr Mann ist Unternehmer – wie wirkt sich das auf Ihre Stiftungsaktivitäten aus? Und gibt es umgekehrt Einflüsse auf Ihr Unternehmertum?

Die Stiftung ist nur ein Teil unseres unternehmerischen Wirkens. Es ist wichtig, dass unsere Projekte die Ambition haben, sich selbst zu tragen und durch vielfältige Einnahmequellen unabhängig agieren können. Die Geschäftsführer von holi und LIFE HAMBURG sind also eher Social Entrepreneure. Wir wägen die Spannungsfelder dabei immer sauber ab und entscheiden im Zweifel gegen eine bestimmte Einnahmeform. Wir setzen die Mittel der Stiftung gezielt an den Stellen ein, die keiner klassischen Betriebswirtschaftslogik folgen oder wo wir einen höheren Anspruch haben (zum Beispiel bei der Ernährung der zukünftigen Schülerinnen und Schüler von LIFE HAMBURG). holi haben wir bewusst als GmbH in Verantwortungseigentum entwickelt und so können sich auch Dritte am Projekt beteiligen. Wir lernen hier viel über die Vor- und Nachteile der einzelnen Modelle und sind auch gespannt, wie die aktuelle Bundesregierung die "Gesellschaft mit gebundenem Vermögen" final konzeptioniert. Es ist wichtig, dass auch in diesen Bereichen Innovation stattfindet.

Hamburg ReDiSchool
Die Hamburg ReDiSchool wird von der Holistic Foundation gefördert.

 
Sie haben Ihre Stiftung in jungen Jahren gegründet – Sie selbst waren Anfang dreißig. Warum engagieren Sie sich für die Gesellschaft? Und warum haben Sie sich für das Stiftungsmodell entschieden und nicht für eine andere Form des Engagements?

Ich bin davon überzeugt, dass wir auf der Welt sind, um auch Dinge zurückzugeben. In dem Moment, wo wir geben, bekommen wir auch ganz viel. Mein Lieblingssatz lautet daher auch: "Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu anderem Glück, denn die Freude, die du gibst, kehrt ins eigene Herz zurück." Das ist zwar aus einem Kinderbuch, aber gefällt mir besonders, weil wir nur in der Gemeinschaft glücklich werden können. Ich interpretiere das dann in meinen unterschiedlichen Rollen entsprechend.

Wir selbst haben das Glück, die Möglichkeiten zu haben, etwas zu tun und deswegen ist es für mich eine Selbstverständlichkeit. Gerade als Eltern ist klar, dass man den Kindern und zukünftigen Generationen verpflichtet ist, einen Beitrag zu leisten und alles zu geben, um die Welt lebenswert zu hinterlassen. Wir stehen hier mit der Stiftung in der Tradition der Familie, nutzen aber auch viele andere Formate, wie die GmbH in Verantwortungseigentum bei holi oder einen Mehrparteienvertrag bei LIFE HAMBURG. So suchen wir immer nach dem idealen Rahmen, der uns auch unternehmerisch und partnerschaftlich handeln lässt und die Interessen der Gemeinschaft vereint. Der rechtliche Rahmen ist das eine, am Ende geht es jedoch darum, die Wirkung zu maximieren. Wir wollen einen Impact haben und Zukunft aktiv gestalten. Das gilt für unsere Investmentaktivtäten genauso wie für die Stiftungsaktivitäten.

Wie ist Ihre Einschätzung: Unterscheidet sich Ihr Engagement von dem älterer Generationen, etwa bei der inhaltlichen Ausrichtung?

Alter ist für uns keine relevante Dimension, sondern es geht uns immer um die Haltung, und das ist altersunabhängig, vor allem im "Was" und "Warum" würden wir keinen Unterschied machen. Wenn man es zuspitzen möchte, findet sich der Unterschied eher im "Wie". Zum Beispiel setzen wir im Bereich Kommunikation schneller auf neue Formate und Kanäle und probieren uns dort mutig aus. Aber auch hier muss unser Handeln wirksam sein, sonst stellen wir Aktivitäten auch schnell wieder ein, wenn ich da zum Beispiel an unser kurzes Clubhouse-Experiment 2021 denke. Wir hören auch immer wieder, dass der Name der Stiftung interessant ist, und das ist auch gut so. Wir wollen hier ganz bewusst neugierig machen, Leute begeistern und gemeinsam Zukunft gestalten.

Wie wichtig ist Ihnen und auch Ihrem Stiftungsteam eine Aufgabe mit Purpose?

Wie alle Menschen streben wir nach Sinnhaftigkeit unseres Handelns, sei es in der Arbeit oder am Wochenende im eigenen Garten oder wenn wir uns um die Familie kümmern. Wir sind glücklich, dass uns die Arbeit mit dem Team tagtäglich so erfüllt und wir so viel positives Feedback zu unserem Handeln erhalten. Das Team ist im positiven Sinne schon eine besonders "bewusste Gemeinschaft".

Wie strategisch gehen Sie Ihr Engagement an? Haben Sie die Wirkung Ihrer Aktivitäten im Blick?

Wir gehen sehr wirkungsorientiert vor, wobei wir je nach Projekt auch pragmatisch starten und dann lernen, wie sich die größte Wirkung entfalten lässt. Es ist uns sehr wichtig, dass wir – unabhängig von der Größe der Beträge – diese möglichst wirkungsvoll einsetzen. Wir sind stolz, dass wir mit dem kleinen Team und den bisherigen Mitteln in der frühen Phase schon so viele Dinge anschieben konnten. Bei den großen "Leuchttürmen" holi und LIFE HAMBURG mit durchaus signifikanten Anschubfinanzierungen erwarten wir natürlich auch systemische Wirkung. Dies geschieht aus unserer Sicht, indem wir Hoffnung geben, Angebote schaffen und zum Mitmachen einladen, um gemeinsam die Steine mit möglichst vielen Menschen und Partnern ins Rollen zu bringen. Hier stehen wir noch am Anfang der Reise.

Die Vermögensanlage bietet einen zusätzlichen Hebel, um positive Wirkung zu erzielen – Stichwort "Impact Investing". Wie wichtig ist Ihnen dieses Thema, wie nachhaltig legen Sie Ihr Stiftungsvermögen an?

"Impact Investing" ist fester Bestandteil unserer "Impact-Klaviatur". Sowohl durch Einzelinvestments als auch durch den systemischen Ansatz durch Revent, wo wir mit Dr. Lauren Lentz und Otto Birnbaum großartige Menschen gefunden haben, um die Initiative gemeinsam mit weiteren Partnern voranzutreiben. Zusätzlich haben wir Experten im Family Office, welche die Familie seit langem begleiten. Das ergänzt sich also alles sehr gut, man könnte sagen, "ganzheitlich" ist jeder in seiner Stärke.

Mit Blick in die Zukunft: Was wünschen Sie sich? Und was wünschen Sie Ihrer Stiftung?

Ich wünsche mir, dass wir mit unseren Projekten möglichst viele Menschen motivieren, den Wandel zu einer nachhaltigeren und gemeinsamen Zukunft aktiv zu gestalten und wir somit einen Beitrag leisten zu systemischem Wandel. Für die Stiftung selbst wünsche ich mir, dass wir gemeinsam mit dem Team und vielen, spannenden und aktiven Partnern sehr lange mit so viel Freude, Einsatz und Ausdauer unsere Ziele verfolgen.

 

Janina Lin Otto (Foto: Peter Müller)
Foto: Peter Müller
Janina Lin Otto

Janina Lin Otto (geb. 1985) ist Philanthropin, Unternehmerin, Keynote Speakerin, Podcasterin und regenerative Landwirtin. Sie studierte in Kiel Betriebs­wirtschafts­lehre mit dem Schwerpunkt Marketing und dem Nebenfach Jura. Ihre Diplomarbeit schrieb sie über die Wertschätzung von Lebensmitteln in Deutschland. 2011 gründete sie das Unternehmen "Frau Ultrafrisch", mit dem sie gesundes schnelles Essen im Handel vertrieb. Heute setzt sie sich für Aufklärung im Lebensmittelbereich ein.

2018 gründete sie mit ihrem Ehemann Benjamin Otto die Holistic Foundation, in der sie die Bereiche Partnerdialoge, Netzwerkaufbau und Kommunikation verantwortet. Als Mitgründerin von holi begleitet sie aktuell den Start in Deutschland. Seit November 2021 hält sie zudem einen Sitz im Kuratorium der Werner Otto Stiftung sowie der RTL-Stiftung "Wir helfen Kindern". Benjamin und Janina Lin Otto sind Eltern und leben auf einem Bauernhof.