19.03.2025
Stiftungen fördern innovative Modellprojekte, um neue Wege zu eröffnen. So auch die Schütt-Stiftung: An der Berliner Röntgen-Schule hat sie mit Partnern ein Angebot für Jugendliche geschaffen, denen ein Schulabbruch droht. Langfristige berufliche Praxis sowie individuelle inklusionspädagogische Begleitung schaffen neue Perspektiven. Das Projekt baut Brücken in die Zukunft – und ist trotzdem in einer Sackgasse. Denn anstatt Strukturen durch eine nachhaltige Förderung durch die öffentliche Hand zu sichern, droht angesichts der massiven Haushaltskürzungen in Berlin das Aus.
Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss drohen oft völlig aus dem System zu fallen. Um das zu verhindern, haben die Röntgen-Sekundarschule, die Schütt-Stiftung, der Kurt-Löwenstein-Förderverein und die Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH 2022 ein einzigartiges Modellprojekt gestartet. Sein Ansatz: Jugendliche, die im Regelunterricht scheitern, erhalten durch eine Kombination aus langfristiger beruflicher Praxis und individueller inklusionspädagogischer Begleitung eine neue Chance – sei es auf einen Schulabschluss oder einen alternativen Ausbildungsweg.
Finanziert wird das Projekt bislang ausschließlich durch die Schütt-Stiftung und den Förderverein der Schule. Doch statt einer nachhaltigen Förderung eines erfolgreichen Projekts durch die öffentliche Hand droht nun das Aus. Berliner Haushaltskürzungen setzen damit eine erfolgreiche Bildungsarbeit aufs Spiel.
402 Schülerinnen und Schüler aus 34 Ethnien besuchen die Schule, 98,7 Prozent haben einen Migrationshintergrund, fast 90 Prozent stammen aus Familien mit Transferleistungen und bildungsfernen Familien. Viele bringen schwierige soziale oder psychische Voraussetzungen mit, was immer wieder zu Schulabbrüchen führt.
Das Team der Röntgen-Schule setzt sich nicht nur mit großem Engagement für die Ausbildungschancen der Schülerinnen und Schüler ein, sondern wagt neue Wege: durch Praxisklassen, lokale Berufsberatung und Projekte wie die inklusionspädagogische Schulassistenz. So wird ein Rahmen geschaffen, in dem Jugendliche wieder Vertrauen in Bildung fassen können.
50 Schülerinnen und Schüler, die ohne Unterstützung kaum oder gar nicht mehr am Regelunterricht teilnehmen konnten, wurden begleitet – mit enormem Erfolg: 95 Prozent konnten Aggressionen abbauen, stabilisierten sich emotional und entwickelten neue Perspektiven.
Die inklusionspädagogische Schulassistenz spielt dabei eine zentrale Rolle: Sie begleitet die Jugendlichen eng – nicht nur im Unterricht, sondern in allen Lebensbereichen. Sie hilft ihnen, Strukturen zu entwickeln, Konflikte zu bewältigen, Selbstvertrauen aufzubauen und sich in Praktika zu beweisen. Ob Krisenintervention, Unterstützung im Alltag oder Motivation im Schulkontext – die Assistenz ist die feste Bezugsperson, die Halt gibt und Wege aufzeigt. Auch Eltern werden aktiv einbezogen und fühlen sich entlastet.
Der Schlüssel zum Erfolg sind Langzeitpraktika. In Gastronomie, Kitas, Krankenhäusern, Friseursalons oder Kultureinrichtungen entdecken die Jugendlichen ihre Stärken – oft zum ersten Mal. So entstehen realistische Berufsperspektiven, selbst ohne klassischen Schulabschluss.
Dieses Projekt beweist: Inklusion braucht gezielte Unterstützung. Doch leider setzen genau hier die Kürzungen an. Die Umstrukturierung des Bonus-Programms, die unklare Verteilung von Mitteln im neuen Startchancen-Programm sowie der völlig unklare Zeitrahmen lassen Schulen im Ungewissen und im Regen stehen.
Es ist eine staatliche Aufgabe, Schule für die ganze Gesellschaft zu ermöglichen. Dazu braucht es passgenaue und langfristig finanzierte Lösungen. Die Erfolge dieses Projekts zeigen: Bildung ist keine Ausgabe, sondern eine Investition in die Zukunft – eine, die sich für die gesamte Gesellschaft auszahlt.
Andrea Bölling ist Stiftungsmanagerin im DSZ-Regionalbüro Berlin.
T 030 322982-346