Eventualeinberufung der Mitgliederversammlung eines Vereins

Eventualeinberufung der Mitgliederversammlung eines Vereins

Eine Eventualeinberufung zur Mitgliederversammlung für den Fall fehlender Beschlussfähigkeit ist nur bei entsprechender Satzungsgrundlage zulässig.

Leitsatz

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe beruhte im Wesentlichen auf folgendem Sachverhalt:

Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein. Er wandte sich gegen die Zurückweisung seiner Anmeldung zur Satzungsänderung im Vereinsregister. Die Satzung des Vereins enthielt in der seit Dezember 1991 geltenden Fassung unter anderem folgende Regelungen:

"§ 16 Abs. 1 Über Satzungsänderungen entscheidet die Mitgliederversammlung
a) auf Antrag des Vorstands
b) auf schriftlichen Antrag von mindestens 1/4 der Mitglieder.
Abs. 2: Die Änderung bedarf der Zustimmung von 2/3 der in der Mitgliederversammlung anwesenden Mitglieder und der beiden Gemeinden. Die Hälfte der Mitglieder muss anwesend sein. Sollte dies nicht der Fall sein, ist eine weitere Mitgliederversammlung einzuberufen, die berechtigt ist, die Satzung ohne Mitgliedermindestanzahl zu ändern."

Der Vorsitzende des Vereins lud die Mitglieder am 27. Juni 2023 zur Jahreshauptversammlung am 11. Juli 2023 um 18:00 Uhr ein. In der Einladung hieß es:

"Sollte die erforderliche Anzahl von der Hälfte der Mitglieder nicht anwesend sein und wir somit nicht beschlussfähig sein, erfolgt eine weitere ordentliche Jahreshauptversammlung im Anschluss am 11. Juli 2023, 18:15 Uhr."

In der auf 18:00 Uhr geladenen Versammlung waren von 72 Vereinsmitgliedern nur 18 erschienen. Beschlüsse wurden nicht gefasst. In der auf 18:15 Uhr anberaumten Versammlung wurde eine Änderung des § 16 der Satzung einstimmig beschlossen und zur Eintragung in das Vereinsregister angemeldet.

Das Registergericht versagte dem Verein die Eintragung der Satzungsänderung. Der satzungsändernde Beschluss sei nicht wirksam gefasst worden, weil die zu diesem Zeitpunkt geltende Satzung keine Regelung zu einer Eventualeinberufung vorsehe und die Anmeldung daher unter einem nicht behebbaren Mangel beruhe.

Sofern nicht genügend Vereinsmitglieder für die Beschlussfähigkeit auf der Jahreshauptversammlung anwesend sind, kann grundsätzlich eine Eventualeinberufung in Betracht kommen.

Von einer Eventualeinberufung spricht man, wenn die Ladung zu einer zweiten Mitgliederversammlung im Anschluss an die reguläre Mitgliederversammlung mit derselben Tagesordnung unter erleichterten Voraussetzungen erfolgt. Ein solches Vorgehen ist grundsätzlich zulässig, erfordert jedoch eine ausdrückliche Satzungsgrundlage.

Der Verein erhob Beschwerde, da er der Auffassung gewesen ist, dem Vereinsregister stehe bei der Prüfung der Anmeldung nur eine beschränkte Überprüfungskompetenz zu, das Registergericht dürfe im Hinblick auf die Vereinsautonomie keine Satzungsregelungen überprüfen, die sich auf Vereinsinterna beziehen.  

Die Beschwerde des Vereins führte nicht zum Erfolg.

 

Das OLG Karlsruhe begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:

Zunächst stellte das OLG Karlsruhe klar, dass das Registergericht nicht nur die formelle Ordnungsmäßigkeit zu prüfen habe, sondern auch, ob der satzungsändernde Beschluss mit der nach dem Gesetz oder der Satzung erforderlichen Mehrheit gefasst worden ist. Damit entkräfte es das Argument des Vereins, dem Vereinsregister stehe bei der Anmeldungsprüfung lediglich eine beschränkte Überprüfungskompetenz zu.

Die Satzungsänderung konnte in beiden abgehaltenen Mitgliederversammlungen nicht beschlossen werden. In der ersten Sitzung war die für einen Beschluss erforderliche Mindestanzahl an Vereinsmitgliedern nicht anwesend. Auch in der zweiten Mitgliederversammlung konnte der Verein die Satzungsänderung nicht beschließen.

Die Satzung des Vereins sah zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vor, dass eine "weitere Mitgliederversammlung" einzuberufen sei, wenn die Hälfte der Mitglieder in der Mitgliederversammlung, in der über die Satzungsänderung entschieden wird, nicht anwesend ist. Diese weitere Mitgliederversammlung sei dann auch für Satzungsänderungen ohne Mitwirkung eines bestimmten Quorums von Mitgliedern beschlussfähig. Eine Eventualeinberufung – also eine bereits mit der ursprünglichen Einladung verbundene vorsorgliche Einladung zu einer zweiten Versammlung – sah die Satzung dagegen nicht vor. Diese sollte mit der streitigen Änderung gerade erst eingeführt werden.

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe entspricht allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum.

 

Praxistipp

Das Gesetz sieht keine Vorgaben zur Einberufung von Mitgliederversammlungen in Vereinen vor. Diese werden in den Vereinssatzungen modifiziert. Die vorliegende Entscheidung verdeutlicht daher, wie wichtig die Modifizierung einer Regelung abgestimmt an die Erfordernisse der Beschlussfassung des jeweiligen Vereins ist. Um maßgeblichen Konsequenzen in der Folge von nichtigen Beschlüssen vorzubeugen, ist bei der Modifizierung von Vereinssatzungen rechtlicher Rat einzuholen.

 

Ein Beitrag von Vanessa Bimberg,
Rechtsanwältin bei den Deutschen Stiftungsanwälten.

Der Artikel ist zuerst in der Ausgabe 5/2024 des 
Fachmagazins Stiftung&Spnsoring erschienen.

 

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