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Neurologen der Unimedizin Rostock erforschen seltene neurodegenerative Erkrankung

19.06.2021

Ein internationales Konsortium um Prof. Dr. Dr. Andreas Hermann, der auf die neugeschaffene Schilling-Professur berufen ist, erprobt neuartige Therapie bei weltweit ersten Patienten mit Chorea-Akanthozytose.

Schilling-Stiftungsprofessor Andreas Hermann (Foto: Universitätsklinikum Dresden)
Foto: Universitätsklinikum Dresden
Schilling-Stiftungsprofessor Andreas Hermann

Die Chorea-Akanthozytose (ChAc) ist eine sehr seltene vererbbare neurodegenerative Erkrankung. Die ersten Symptome treten häufig bereits um das 20. Lebensjahr herum auf und schreiten – bisher unaufhaltsam – voran. Die Patienten leiden an Überbewegungen (einer sogenannten Chorea), an epileptischen Anfällen, geistigen Einschränkungen und Persönlichkeits­veränderungen. Außerdem sind häufig Nerven der Arme und Beine mitbetroffen, was zu Lähmungen führt. Wissenschaftler der Universitätsmedizin Rostock erforschen seit einigen Jahren die bisher unheilbare Krankheit. Und der Erfolg gibt ihnen Recht: Weltweit erste Patienten werden im Therapieversuch behandelt.

Ein internationales Konsortium um Prof. Dr. Dr. Andreas Hermann, Leiter der Sektion für Translationale Neurodegeneration "Albrecht Kossel", konnte mithilfe europäischer Förderung (E-Rare) einen Schlüsselmechanismus der Krankheitsentstehung identifizieren: Ein Enzym, die sogenannte Lyn-Kinase, ist bei der Krankheit überaktiv, was zu Schäden in wichtigen zellulären Prozessen führt. "Glücklicherweise konnten wir in unseren Zellmodellen auch zeigen, dass die Unterdrückung der Enzymaktivität diese Schäden teilweise wieder ausgleichen kann", sagt Hermann. Zur Anwendung kamen Medikamente, die bereits für onkologische Erkrankungen im klinischen Alltag erprobt sind. 

Aufgrund dieser vielversprechenden Erkenntnisse setzten sich Hermann und sein Team das ehrgeizige Ziel, möglichst schnell die Patienten davon profitieren zu lassen. Die Übertragung in die Patientenversorgung ist eine Aufgabe, der sich Dr. Kevin Peikert annahm. Er ist Arzt und Clinician Scientist in Hermanns Arbeitsgruppe und wird von der Rostock Academy for Clinicians Scientists (RACS) der Unimedizin Rostock gefördert. 

Die Behandlung der ersten Patienten ergab erste ermunternde Ergebnisse, da entscheidende Blutwerte positiv auf das Medikament namens Dasatinib ansprachen und die Patienten die Therapie gut vertrugen. Außerdem gelang es, entscheidende Biomarker – also messbare biologische Parameter – der Erkrankung zu erkennen. Jedoch konnte nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, ob der neurodegenerative Prozess durch die Therapie aufgehalten wurde. "Daher sind wir nochmals zurück in die Laborforschung gegangen und haben im Modell herausgefunden, dass die Nachfolgesubstanz Nilotinib wahrscheinlich besser in die entscheidenden Gehirnareale gelangen kann“, fasst Peikert die Ergebnisse zusammen. „Die Anwendung dieses Medikaments bei Patienten ist jetzt der nächste logische Schritt", ergänzt er. Insgesamt besteht weiterhin die Hoffnung, dass Hermanns Team auf diesem Wege einer Therapie der Chorea-Akanthozytose Stück für Stück näherkommen könnte. 

"Die Arbeit an seltenen Erkrankungen und die rasche Übertragung von grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnissen zum Patienten ist zentraler Punkt der neugeschaffenen Schilling-Professur, auf die Prof. Andreas Hermann berufen ist", sagt Prof. Dr. Emil Reisinger, Dekan und Wissenschaftlicher Vorstand der Unimedizin Rostock. Die Hermann und Lilly Schilling-Stiftung für medizinische Forschung im Stifterverband fördert universitäre Neurologien, indem sie neue Professuren und Arbeitsgruppen in diesen Bereichen schafft.