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Trauer um Dr. Lotte Köhler

19.01.2022

Das Deutsche Stiftungszentrum und der Stifterverband trauern um Dr. Lotte Köhler, die am 1. Januar 2022 im Alter von 96 Jahren verstorben ist.

Dr. Lotte Köhler wurde am 19. August 1925 in Darmstadt geboren. Sie studierte Medizin und Chemie an den Universitäten Frankfurt am Main und Heidelberg – das Studium schloss sie mit dem Dr. med. ab. Im Alter von 26 Jahren entschied sie sich, nicht als Ärztin zu arbeiten, sondern wurde Generalbevollmächtigte der Gesellschafterversammlung einer Verpackungsdruckerei mit 120 Beschäftigten.

Ende der 1950er-Jahre wandte sich Dr. Lotte Köhler – parallel zu ihrer verantwortlichen Tätigkeit im Unternehmen – der Psychoanalyse zu. Sie begann am Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie e.V. in München eine psychoanalytische Ausbildung, die sie 1962 abschloss. Etwa zeitgleich verstarb ihr Vater, und sie übernahm – vor allem aus Pflichtbewusstsein – leitende Funktionen in dem Unternehmen ihres Vaters, der Maschinenfabrik Goebel GmbH in Darmstadt, die sie bis 1986 innehatte. Diese rund 20 Jahre können als "Spagat zwischen Fabrik und Psychologie" bezeichnet werden. Trotz der beruflichen Belastung als Geschäftsführerin des Darmstädter Maschinenbauunternehmens machte sie sich – mit ihrem Lebensgefährten Hans Kilian an ihrer Seite – in Analytikerkreisen auch international einen Namen. Bekannt wurde sie insbesondere durch ihre Arbeiten zur Erforschung des Gedächtnisses von Kleinkindern und zur Bindungstheorie. Dazu war sie zeitlebens eine durch die Erfahrungen der Nazidiktatur geprägte, aktive liberale Demokratin.

Lotte Köhler (Foto: DSZ/Andrea Locker)
Foto: DSZ/Andrea Locker
Lotte Köhler

 
1986 zog sich Dr. Lotte Köhler aus sämtlichen beruflichen Verpflichtungen zurück.
"Eigentlich hat mein eigenes Leben erst im Alter von 61 Jahren begonnen", erklärte sie einst. Befreit von der beruflichen Verantwortung folgte Dr. Lotte Köhler ab 1987 ihrer Berufung – sie widmete sich ausschließlich der Wissenschaft und errichtete die Köhler-Stiftung. 2001 gab sie die Stiftung in die Verwaltung des Stifterverbandes und verlegte deren Sitz von Darmstadt nach Essen.

Mit Mitteln der Stiftung und mit großem persönlichem Engagement von Dr. Lotte Köhler förderte die Stiftung viele Forschungsvorhaben – häufig mit interdisziplinärem Ansatz – unter anderem in der Bindungsforschung, der psychoanalytischen Entwicklungspsychologie und Psychotherapieforschung, der Traumaforschung sowie der Psychohistorie. Für viele Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler bedeutete die Unterstützung durch die Köhler-Stiftung eine substanzielle Hilfe vor allem am Beginn ihrer Forschungslaufbahn.

Dr. Lotte Köhler legte stets großen Wert darauf, auch solche Forschungen zu fördern, die im Mainstream wenig beachtet oder gar ausgegrenzt waren. Auch so hat sie dazu beigetragen, die Psychoanalyse in Deutschland wieder an die internationale Entwicklung heranzuführen. Der von 2011 bis 2019 auf ihren Wunsch eingerichtete Hans-Kilian-Preis entwickelte sich schnell zu einer in den Sozialwissenschaften weithin beachteten Initiative. Der Preis würdigt exzellente Leistungen von Personen, die neue Einsichten in die geschichtliche und kulturelle Existenz des Menschen und seine veränderliche Psyche vermitteln. In dem im Sommer 2014 an der Ruhr-Universität Bochum gegründeten Hans-Kilian-und-Lotte-Köhler-Centrum (KKC) werden zudem viele, den Preis ergänzende nachhaltig angelegte Förder- und Forschungsaktivitäten gebündelt.

Lotte Köhler (Foto: DSZ/Andrea Locker)
Foto: DSZ/Andrea Locker

Der Vorstand der Köhler-Stiftung und das Direktorium des KKC gedenken Dr. Lotte Köhler mit den folgenden Worten: "Als Psychoanalytikerin und Forscherin im Bereich der psychoanalytischen Entwicklungspsychologie, Neurowissenschaft und Selbstpsychologie hat Frau Dr. Köhler inspirierende Anstöße für eine zeitgenössische Psychoanalyse gegeben. Ihr umfassendes Engagement als Stifterin und ihre Zusammenarbeit mit führenden Forschungseinrichtungen hat es vielen jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht, diese Inspiration weiterzutragen. Wir alle sind dankbar für das große Engagement dieser überragenden Persönlichkeit für eine moderne Psychoanalyse und Sozialwissenschaft und trauern um eine in so vieler Hinsicht wegweisende Kollegin. Wir werden ihr Vermächtnis in ihrem Geiste weitertragen."

Das Deutsche Stiftungszentrum und der Stifterverband erinnern mit großem Respekt Dr. Lotte Köhlers, ihrer bewundernswerten Lebensleistung und ihrem Engagement. Wir werden sie als Mensch, Forscherin und Stifterin stets in gutem Andenken behalten.