Geben Sie uns gerne einen Einblick in Ihre Praxis: Welche Rechtsformen empfehlen Sie am häufigsten, um philanthropisches Engagement mit einem Start-up-Mindset zu verbinden?
Eine pauschale Empfehlung kann es nicht geben, denn es kommt natürlich immer auf den Einzelfall an. Entscheidend ist etwa die Anzahl der Personen, die sich im Rahmen des Projekts für die gute Sache zusammentun, und in welcher Art und Weise das Engagement perspektivisch finanziert werden soll. Häufig ist es so, dass junge Philanthropinnen und Philanthropen mit einer guten Idee und einem großen Netzwerk zu uns kommen – hier kann es sich anbieten, auf der Grundlage eines Vereins oder einer gemeinnützigen Kapitalgesellschaft, sprich einer gemeinnützigen Unternehmergesellschaft (gUG) oder einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH), zu agieren. Aber wie gesagt: Es kommt auf den individuellen Fall an.
Dann gehen wir doch noch einmal einen Schritt zurück. Welche wesentlichen Fragen sollten sich Philanthropinnen und Philanthropen unbedingt stellen, bevor sie sich für eine Rechtsform entscheiden?
Grundsätzlich: Auch allgemeinwohlförderndes Engagement braucht einen Businessplan. Schon zu Beginn des Projekts muss klar sein, welche Ziele ich erreichen möchte und welche finanziellen, sachlichen und auch personellen Ressourcen ich dafür benötige bzw. nutzen kann.
Die Frage, auf welche finanziellen Ressourcen ich zurückgreifen möchte, bestimmt im Grunde, ob die Gründung einer das Gemeinwohl fördernden Körperschaft sinnvoll ist oder sich doch möglicherweise eine Entscheidung für eine gewerbliche Gesellschaftsform anbietet. In der Praxis ist es häufig so, dass junge Unternehmer vor der Herausforderung stehen, für ihr Engagement zusätzliche finanzielle Quellen zu akquirieren – entscheiden sie sich dafür, Spenden einzuwerben oder auf staatliche Förderungen zurückzugreifen, ist der Weg in die Gemeinnützigkeit eigentlich schon vorgezeichnet. Gibt es hingegen eine Idee, die schon eine gewisse Marktreife hat und marktgängig ist, dann macht es Sinn, darüber nachzudenken, sich nicht unbedingt dem Gemeinnützigkeitsrecht – die in der Umsetzung gewisse Herausforderungen mit sich bringt – zu unterwerfen, sondern stattdessen von vorneherein als gewerbliches Unternehmen an den Markt zu gehen.
Eine weitere Grundüberlegung ist auch, welchen Zeithorizont man für das Engagement wählt. Habe ich die Erwartung, mich mein Leben lang in dieser Sache zu engagieren oder ist es mir wichtig, dass ich irgendwann einen Exit schaffe und möglicherweise das Engagement gewinnbringend veräußere? Auch diese Frage ist elementar für die Wahl der richtigen Rechts- und Steuerform.
Ganz konkret: Worauf ist beispielsweise bei der Gründung einer gemeinnützigen Unternehmergesellschaft (gUG) aus rechtlicher und steuerlicher Sicht zu achten?
Bei der Gründung einer gUG ist natürlich zunächst einmal die Frage wesentlich, in welcher Höhe man sich finanziell engagieren möchte – welche Summe steht also zur Verfügung, um die Gesellschaft zu gründen. Die gUG gibt uns eine geringe Eintrittsschwelle vor: Grundsätzlich kann eine gUG schon mit einem Stammkapital in Höhe von einem Euro gegründet und damit die Rechtsfähigkeit erlangt werden. Im weiteren Verlauf, bei der Satzungsgestaltung und Errichtung einer gUG, sind im Grunde die gleichen Dinge zu beachten wie auch bei der Erstellung einer Stiftungssatzung oder eines Gesellschaftervertrags einer gemeinnützigen GmbH. Zunächst muss darauf geachtet werden, dass die die Allgemeinheit fördernden Zwecke ausreichend konkret formuliert werden und diese den Anforderungen der Finanzverwaltung entsprechen. Darüber hinaus muss darauf geachtet werden, dass eine Governance-Struktur geschaffen wird, die es sinnvoll und effektiv ermöglicht, mit den zur Verfügung stehenden Personen das Projekt und das Engagement gezielt voranzutreiben.
Wie ist Ihre Wahrnehmung: Verschwimmen die Grenzen zwischen dem Profit- und Non-Profit-Sektor? Und falls ja, wird sich diese Entwicklung fortsetzen?
Definitiv ist ein Erstarken eines philanthropischen Engagements zwischen Wirtschaft und Gesellschaft zu beobachten – so haben soziales Unternehmertum, Social Entrepreneurship oder Impact Entrepreneurship an Bedeutung gewonnen. Und meines Erachtens wird ein Engagement über Sektorengrenzen hinweg auch noch weiter zunehmen – schließlich sind unsere gegenwärtigen Herausforderungen wie etwa der Klimawandel zu groß, um einfache Antworten zu finden. Es braucht ein ganzheitliches Engagement, ein entschlossenes Zusammenwirken von Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft, um die Herausforderungen unserer Zeit zu lösen.
In der Beratungspraxis beobachten wir, dass viele Start-up-Initiativen an Hochschulen mit einer gemeinnützigen Grundausrichtung beginnen, dann aber perspektivisch – sprich, wenn eine Start-up-Idee die Marktreife erlangt hat – in den gewerblichen Bereich überführt werden können oder auch müssen. Ein Spannungsverhältnis ergibt sich etwa dann, wenn eine gemeinnützige Körperschaft die Allgemeinheit fördernd forscht oder auch Wissenschaft betreibt, an diesen Erkenntnissen häufig aber auch ein gesteigertes Interesse von Seiten gewerblicher Unternehmen besteht. Diese möchten entweder vorab an den Ergebnissen partizipieren oder sie für die eigene Unternehmung im gewerblichen Bereich nutzbar machen. Hier stößt das Gemeinnützigkeitsrecht an seine Grenzen, weil ein elementarer Grundsatz ist, dass Forschungsergebnisse, die im Rahmen eines das Gemeinwohl fördernden Engagements erzielt werden, zunächst der Allgemeinheit und nicht exklusiv bestimmten Auftraggebern zur Verfügung gestellt werden müssen. Tut man Letzteres, verlässt man die Sphäre der Gemeinnützigkeit und bewegt sich im Bereich der Auftragsforschung. Diese kann zwar unter gewissen Umständen auch gemeinnützig sein, üblicherweise wird sie aber vor allem im gewerblichen Bereich abgebildet.
Das Gemeinnützigkeitsrecht wurde zuletzt im Zuge des Jahressteuergesetzes 2020 reformiert. Hält die Entwicklung des Gemeinnützigkeitsrechts Schritt mit unserer gesellschaftlichen Entwicklung sowie den neuen Formen des Gebens und Stiftens?
Gesellschaftliche Entwicklungen warten nicht darauf, dass der Gesetzgeber entsprechende Sachverhalte in Gesetzesform gießt. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber auf gesellschaftliche Veränderungen eher reagiert, indem er meist nachträglich ein gewisses Regelregime schafft. Vor diesem Hintergrund muss die Antwort erst einmal lauten, dass in der Regel die gesellschaftlichen Entwicklungen schneller sind als der Gesetzgeber in einer mehrheits- und konsensbasierten Demokratie. Verschärfend kommt hinzu, dass wir in einer globalisierten Welt leben. Und eine globalisierte Welt lässt sich nur bedingt in ein Korsett nationalstaatlicher Regelungen pressen.
Trotzdem habe ich den Eindruck, dass der Gesetzgeber überwiegend auf gesellschaftliche Entwicklungen zwar mit einer gewissen Verzögerung, dann aber doch mit einer hinreichenden Konsequenz reagiert. Wenn man die aktuelle Gemeinnützigkeitsrechtsreform nimmt, so hat der Gesetzgeber, indem er den Katalog gemeinnütziger Zwecke ergänzt hat – beispielsweise durch die Förderung des Freifunks oder der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden – neue Regelungen geschaffen, die ein Engagement in diesen Bereichen jetzt gemeinnützigkeitsrechtlich absichert. Und auch im Hinblick auf ein internationales Engagement von Philanthropinnen und Philanthropen, die von Deutschland aus agieren, versucht er, perspektivisch Antworten zu finden. Auch wenn wir natürlich erleben, dass nationale Gesetzgeber bei internationalen Sachverhalten im Hinblick auf ihre eigene Regelungskompetenz an Grenzen stoßen können. Positiv ist in diesem Zusammenhang das Zuwendungsregister zu erwähnen, das zum 1. Januar 2024 beim Bundeszentralamt für Steuern geführt wird und hier registrierten ausländischen Körperschaften zur Ausstellung deutscher Zuwendungsbestätigungen nach amtlichen Muster berechtigt. Schließlich wurde im Rahmen der Gemeinnützigkeitsrechtsreform der Unmittelbarkeitsgrundsatz gelockert, so dass jetzt auch weitergehende Kooperationen mit weiteren gemeinnützigen Körperschaften zulässig sind und als unmittelbare Zweckverwirklichung gelten.
Natürlich hat die Gemeinnützigkeitsreform nicht alle Erwartungen aus Praxis und Wissenschaft erfüllt, dennoch bringt sie durch Steuerentlastungen und Bürokratieabbau eine Reihe von Verbesserungen, die die tägliche Arbeit von Non-Profit-Organisationen erleichtern werden.