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Ein Tochterunternehmen des Stifterverbandes

Auch Engagement braucht einen Businessplan

Die Formen des Gebens und Stiftens scheinen vielfältiger zu werden. Wie lässt sich ein philanthropisches Engagement mit einem Start-up-Mindset verbinden? Für welche Rechtsformen entscheiden sich vor allem junge Philanthropinnen und Philanthropen? Und worauf ist bei der Wahl der für das eigene Vorhaben passenden Rechtsform zu achten? Benjamin Weber von den DSZ Rechtsanwälten gibt im Interview Einblicke in die aktuelle Beratungspraxis.

Es sind bewegte Zeiten: Unsere Gesellschaft verändert sich rasant, und es gibt zahlreiche komplexe Herausforderungen, die jetzt ein entschlossenes und engagiertes Handeln erfordern. Stiftungen sind in aller Regel für die Ewigkeit gemacht und verfolgen eine langfristige Perspektive. Inwiefern ist in dieser schnelllebigen Zeit die Stiftung dennoch eine passende Antwort?

Die Stiftung gehört zu den ältesten Instrumenten bürgerschaftlichen Handelns und privaten Engagements für das Allgemeinwohl. Die sogenannte "Ewigkeitsstiftung" als rechtliche Konstruktion, mit der man über ein verselbstständigtes Vermögen in alle Ewigkeit – also auch über seinen Tod hinaus – für das Gemeinwohl wirken kann, wurde 1900 im Bürgerlichen Gesetzbuch eingeführt.
In den vergangenen mehr als 120 Jahren haben sich die Zeiten natürlich deutlich verändert – und mit ihnen auch die Vorstellungen, Ansprüche und Wünsche von Stifterinnen und Stiftern. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert, zuletzt etwa im Rahmen der aktuellen Stiftungsrechtsreform: So hat er zum Beispiel die Möglichkeit eine Verbrauchsstiftung zu errichten nochmals erleichtert – also eine Stiftung, die lediglich über einen begrenzten Zeitraum besteht und in diesem sehr zielgerichtet und unter Einsatz aller ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zum Wohle der Allgemeinheit wirkt.
Insgesamt gesehen, ist das gemeinnützige Engagement bunter und vielfältiger geworden. So wird das Wirken von Stiftungen heute durch weitere Formen des Engagements ergänzt – und das ist angesichts der komplexen Herausforderungen, der sich unsere Gesellschaft zu stellen hat, auch gut. Dennoch kommen Stiftungen nicht aus der Mode und nehmen im bunten Strauß des philanthropischen Wirkens auch weiterhin eine zentrale Rolle ein.

Um eine Stiftung zu errichten, ist in der Regel ein gewisses Vermögen nötig, um die gemeinnützige Arbeit zu finanzieren. Schon vor diesem Hintergrund erklärt sich, warum Stifterinnen und Stifter für gewöhnlich älter sind. Welche Möglichkeiten gibt es für junge Philanthropinnen und Philanthropen, die weniger Vermögen, dafür aber andere Ressourcen einbringen können, sich zu engagieren?

Stiftungen werden tatsächlich vor allem von Personen errichtet, die in ihrem Leben ein gewisses Vermögen und, damit verbunden, eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit erreicht haben. Sie sind zudem häufig daran interessiert, ihr gemeinwohlförderndes Engagement über ihren Tod hinaus zu sichern und der Gesellschaft auf diesem Weg etwas zurückzugeben. Bei jungen Philanthropinnen und Philanthropen ist die Ausgangslage in der Regel eine andere: Bei ihnen erleben wir in unserer Beratungspraxis häufig den Wunsch, eher kurzfristig, sehr gezielt und wirkungsvoll agieren zu wollen – sie legen also nicht unbedingt gesteigerten Wert auf ein ewiges Engagement. Stattdessen ist ihnen Flexibilität wichtig, sowohl was das tatsächliche Wirken angeht als auch die von ihnen geförderten gemeinnützigen Zwecke. Sie schätzen die Freiheit, sich heute etwa für den Umweltschutz einsetzen zu können und morgen vielleicht für die Völkerverständigung oder die wissenschaftliche Forschung. Die (dauerhafte) Festlegung auf ein, zwei oder drei allgemeinwohlfördernde  Zwecke ist für junge Philanthropinnen und Philanthropen nach unseren Erfahrungen eher schwierig.
Vor diesem Hintergrund sprechen wir mit den meisten von ihnen nicht nur über die Errichtung einer rechtsfähigen oder nichtrechtsfähigen Stiftung, sondern beraten sie insbesondere zu entsprechenden Alternativen. Vor allem gemeinnützige Kapitalgesellschaften nehmen mittlerweile eine starke Rolle im gemeinwohlfördernden Engagement ein – sie bieten nach ihrer Konstruktion bestimmte Gestaltungsspielräume und eine größere Flexibilität, die den Vorgaben und Wünschen junger Menschen entgegenkommen.
Ein weiterer in der Praxis häufig vorkommender Fall ist, dass junge Philanthropinnen und Philanthropen zunächst nur über lose Kooperationen mit der eigenen Hochschule dem Gemeinwohl dienende Ideen entwickeln und vorantreiben. Solche Kooperationen stoßen an ihre Grenzen, wenn das Vorhaben einen gewissen Umfang und administrativen Aufwand erreicht. Dann ist der Zeitpunkt für die Frage gekommen, welche Rechtsform die richtige Wahl für eine Weiterführung des eigenen Engagements ist. Die Überführung der eigenen Ideen und Vorstellungen in eine rechtliche Körperschaft ist eine entscheidende Weichenstellung, so dass sich hier eine gute Beratung empfiehlt.

Benjamin Weber (Foto: Sven Lorenz)
Foto: Sven Lorenz
Benjamin Weber von den DSZ Rechtsanwälten

Geben Sie uns gerne einen Einblick in Ihre Praxis: Welche Rechtsformen empfehlen Sie am häufigsten, um philanthropisches Engagement mit einem Start-up-Mindset zu verbinden?

Eine pauschale Empfehlung kann es nicht geben, denn es kommt natürlich immer auf den Einzelfall an. Entscheidend ist etwa die Anzahl der Personen, die sich im Rahmen des Projekts für die gute Sache zusammentun, und in welcher Art und Weise das Engagement perspektivisch finanziert werden soll. Häufig ist es so, dass junge Philanthropinnen und Philanthropen mit einer guten Idee und einem großen Netzwerk zu uns kommen – hier kann es sich anbieten, auf der Grundlage eines Vereins oder einer gemeinnützigen Kapitalgesellschaft, sprich einer gemeinnützigen Unternehmergesellschaft (gUG) oder einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH), zu agieren. Aber wie gesagt: Es kommt auf den individuellen Fall an.

Dann gehen wir doch noch einmal einen Schritt zurück. Welche wesentlichen Fragen sollten sich Philanthropinnen und Philanthropen unbedingt stellen, bevor sie sich für eine Rechtsform entscheiden?

Grundsätzlich: Auch allgemeinwohlförderndes Engagement braucht einen Businessplan. Schon zu Beginn des Projekts muss klar sein, welche Ziele ich erreichen möchte und welche finanziellen, sachlichen und auch personellen Ressourcen ich dafür benötige bzw. nutzen kann.
Die Frage, auf welche finanziellen Ressourcen ich zurückgreifen möchte, bestimmt im Grunde, ob die Gründung einer das Gemeinwohl fördernden Körperschaft sinnvoll ist oder sich doch möglicherweise eine Entscheidung für eine gewerbliche Gesellschaftsform anbietet. In der Praxis ist es häufig so, dass junge Unternehmer vor der Herausforderung stehen, für ihr Engagement zusätzliche finanzielle Quellen zu akquirieren – entscheiden sie sich dafür, Spenden einzuwerben oder auf staatliche Förderungen zurückzugreifen, ist der Weg in die Gemeinnützigkeit eigentlich schon vorgezeichnet. Gibt es hingegen eine Idee, die schon eine gewisse Marktreife hat und marktgängig ist, dann macht es Sinn, darüber nachzudenken, sich nicht unbedingt dem Gemeinnützigkeitsrecht – die in der Umsetzung gewisse Herausforderungen mit sich bringt – zu unterwerfen, sondern stattdessen von vorneherein als gewerbliches Unternehmen an den Markt zu gehen.
Eine weitere Grundüberlegung ist auch, welchen Zeithorizont man für das Engagement wählt. Habe ich die Erwartung, mich mein Leben lang in dieser Sache zu engagieren oder ist es mir wichtig, dass ich irgendwann einen Exit schaffe und möglicherweise das Engagement gewinnbringend veräußere? Auch diese Frage ist elementar für die Wahl der richtigen Rechts- und Steuerform.

Ganz konkret: Worauf ist beispielsweise bei der Gründung einer gemeinnützigen Unternehmergesellschaft (gUG) aus rechtlicher und steuerlicher Sicht zu achten?

Bei der Gründung einer gUG ist natürlich zunächst einmal die Frage wesentlich, in welcher Höhe man sich finanziell engagieren möchte – welche Summe steht also zur Verfügung, um die Gesellschaft zu gründen. Die gUG gibt uns eine geringe Eintrittsschwelle vor: Grundsätzlich kann eine gUG schon mit einem Stammkapital in Höhe von einem Euro gegründet und damit die Rechtsfähigkeit erlangt werden. Im weiteren Verlauf, bei der Satzungsgestaltung und Errichtung einer gUG, sind im Grunde die gleichen Dinge zu beachten wie auch bei der Erstellung einer Stiftungssatzung oder eines Gesellschaftervertrags einer gemeinnützigen GmbH. Zunächst muss darauf geachtet werden, dass die die Allgemeinheit fördernden Zwecke ausreichend konkret formuliert werden und diese den Anforderungen der Finanzverwaltung entsprechen. Darüber hinaus muss darauf geachtet werden, dass eine Governance-Struktur geschaffen wird, die es sinnvoll und effektiv ermöglicht, mit den zur Verfügung stehenden Personen das Projekt und das Engagement gezielt voranzutreiben.

Wie ist Ihre Wahrnehmung: Verschwimmen die Grenzen zwischen dem Profit- und Non-Profit-Sektor? Und falls ja, wird sich diese Entwicklung fortsetzen?

Definitiv ist ein Erstarken eines philanthropischen Engagements zwischen Wirtschaft und Gesellschaft zu beobachten – so haben soziales Unternehmertum, Social Entrepreneurship oder Impact Entrepreneurship an Bedeutung gewonnen. Und meines Erachtens wird ein Engagement über Sektorengrenzen hinweg auch noch weiter zunehmen – schließlich sind unsere gegenwärtigen Herausforderungen wie etwa der Klimawandel zu groß, um einfache Antworten zu finden. Es braucht ein ganzheitliches Engagement, ein entschlossenes Zusammenwirken von Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft, um die Herausforderungen unserer Zeit zu lösen.
In der Beratungspraxis beobachten wir, dass viele Start-up-Initiativen an Hochschulen mit einer gemeinnützigen Grundausrichtung beginnen, dann aber perspektivisch – sprich, wenn eine Start-up-Idee die Marktreife erlangt hat – in den gewerblichen Bereich überführt werden können oder auch müssen. Ein Spannungsverhältnis ergibt sich etwa dann, wenn eine gemeinnützige Körperschaft die Allgemeinheit fördernd forscht oder auch Wissenschaft betreibt, an diesen Erkenntnissen häufig aber auch ein gesteigertes Interesse von Seiten gewerblicher Unternehmen besteht. Diese möchten entweder vorab an den Ergebnissen partizipieren oder sie für die eigene Unternehmung im gewerblichen Bereich nutzbar machen. Hier stößt das Gemeinnützigkeitsrecht an seine Grenzen, weil ein elementarer Grundsatz ist, dass Forschungsergebnisse, die im Rahmen eines das Gemeinwohl fördernden Engagements erzielt werden, zunächst der Allgemeinheit und nicht exklusiv bestimmten Auftraggebern zur Verfügung gestellt werden müssen. Tut man Letzteres, verlässt man die Sphäre der Gemeinnützigkeit und bewegt sich im Bereich der Auftragsforschung. Diese kann zwar unter gewissen Umständen auch gemeinnützig sein, üblicherweise wird sie aber vor allem im gewerblichen Bereich abgebildet.

Das Gemeinnützigkeitsrecht wurde zuletzt im Zuge des Jahressteuergesetzes 2020 reformiert. Hält die Entwicklung des Gemeinnützigkeitsrechts Schritt mit unserer gesellschaftlichen Entwicklung sowie den neuen Formen des Gebens und Stiftens?

Gesellschaftliche Entwicklungen warten nicht darauf, dass der Gesetzgeber entsprechende Sachverhalte in Gesetzesform gießt. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber auf gesellschaftliche Veränderungen eher reagiert, indem er meist nachträglich ein gewisses Regelregime schafft. Vor diesem Hintergrund muss die Antwort erst einmal lauten, dass in der Regel die gesellschaftlichen Entwicklungen schneller sind als der Gesetzgeber in einer mehrheits- und konsensbasierten Demokratie. Verschärfend kommt hinzu, dass wir in einer globalisierten Welt leben. Und eine globalisierte Welt lässt sich nur bedingt in ein Korsett nationalstaatlicher Regelungen pressen.
Trotzdem habe ich den Eindruck, dass der Gesetzgeber überwiegend auf gesellschaftliche Entwicklungen zwar mit einer gewissen Verzögerung, dann aber doch mit einer hinreichenden Konsequenz reagiert. Wenn man die aktuelle Gemeinnützigkeitsrechtsreform nimmt, so hat der Gesetzgeber, indem er den Katalog gemeinnütziger Zwecke ergänzt hat – beispielsweise durch die Förderung des Freifunks oder der Hilfe für Menschen, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden – neue Regelungen geschaffen, die ein Engagement in diesen Bereichen jetzt gemeinnützigkeitsrechtlich absichert. Und auch im Hinblick auf ein internationales Engagement von Philanthropinnen und Philanthropen, die von Deutschland aus agieren, versucht er, perspektivisch Antworten zu finden. Auch wenn wir natürlich erleben, dass nationale Gesetzgeber bei internationalen Sachverhalten im Hinblick auf ihre eigene Regelungskompetenz an Grenzen stoßen können. Positiv ist in diesem Zusammenhang das Zuwendungsregister zu erwähnen, das zum 1. Januar 2024 beim Bundeszentralamt für Steuern geführt wird und hier registrierten ausländischen Körperschaften zur Ausstellung deutscher Zuwendungsbestätigungen nach amtlichen Muster berechtigt. Schließlich wurde im Rahmen der Gemeinnützigkeitsrechtsreform der Unmittelbarkeitsgrundsatz gelockert, so dass jetzt auch weitergehende Kooperationen mit weiteren gemeinnützigen Körperschaften zulässig sind und als unmittelbare Zweckverwirklichung gelten.
Natürlich hat die Gemeinnützigkeitsreform nicht alle Erwartungen aus Praxis und Wissenschaft erfüllt, dennoch bringt sie durch Steuerentlastungen und Bürokratieabbau eine Reihe von Verbesserungen, die die tägliche Arbeit von Non-Profit-Organisationen erleichtern werden.

Die DSZ Rechtsanwälte ergänzen das Angebot des Deutschen Stiftungszentrums (DSZ) und bieten Expertise in allen stiftungs-, steuer- und erbrechtlichen Belangen. Sie kommen aus der Stiftungspraxis und sind neben der anwaltlichen Tätigkeit erfahren in der Beratung und Betreuung von Stifterinnen, Stiftern und Stiftungen. Darüber hinaus veröffentlichen sie regelmäßig in Stiftungsmedien sowie juristischen Fachpublikationen und sind als Referenten gefragt. Mit Standorten in Essen, Berlin, Hamburg, München und Stuttgart beraten die DSZ Rechtsanwälte deutschlandweit.